MAYA LINDE
ist die kreative Seite von
GERLINDE MAYER
die ohne KI auskommt
und ausschließlich mit
NATÜRLICHER INTELLIGENZ
und MENSCHLICHER KREATIVITÄT
wirkt.
TEXTE mit einer Spur
Weisheit, Herz und Berührung
Der WAHREN NATUR auf der SPUR
Zweierlei Tee
Zweierlei Tee
Es war durch und durch ein spannendes Projekt. Im Rahmen des Studienganges Kultur- und Sozialanthropologie hatte man einige Indigene aus unterschiedlichsten Kulturen eingeladen, welche nun bei verschiedenen österreichischen Studenten und Studentinnen einquartiert worden waren. Am ersten Morgen nach der Ankunft betraten Donna Alaika, eine Indigene aus den Anden, und ihre Gastgeberin, Antonia, praktisch gleichzeitig die Küche. Sie wünschten sich einen guten Morgen, und Antonia nahm den vom Teeautomaten vor- und zubereiteten Tee, reichte Donna Alaika eine Tasse und nahm sich auch selbst eine. Sie setzten sich am Küchentisch gegenüber und sofort begann Antonia gemütlich ihren Tee zu trinken. Als Donna Alaika sah, wie Antonia ihre Tasse an die Lippen führte, befürchtete sie, diese würde sich jetzt gleich verbrennen, doch nichts dergleichen geschah, was Donna Alaika ein wenig befremdete. Sie verstand das alles nicht so richtig und fragte daher nach: „Warum ist der Tee nicht zu heiß zum Trinken und was ist das für eine Maschine?“ Antonia erklärte ihr, dass es sich um einen Teeautomaten handle. Sie brauche diesen nur richtig zu programmieren und die Maschine würde alles von selbst machen, das Wasser erhitzen, den Tee aufgießen, den Teesatz herausnehmen und dann den Tee auf Trinktemperatur abkühlen, und das alles, wenn man noch gemütlich im Bettl liegt, so dass man sofort nach dem Betreten der Küche seinen Tee genüsslich trinken konnte und nicht erst mühselig Wasser kochen musste, Tee zubereiten und dann noch abkühlen lassen, bevor man die Tasse an den Mund führen konnte. Donna Alaika lauschte den Ausführungen ihrer Gastgeberin, zog die Augenbrauen hoch und atmete tief durch. „Wirklich?“ fragte sie ungläubig. Antonia war natürlich stolz auf diese moderne Errungenschaft und erklärte Donna Alaika noch weitere Einzelheiten und Vorteile, die diese Maschine zu bieten hatte. „Und warum?“, fragte Donna Alaika. Antonia verstand die Frage nicht wirklich, aber sie war geduldig und versuchte sich ihrem Gast verständlich zu machen. „Das ist einfach eine bequeme Sache, man muss nicht lange warten, bis das Wasser heiß ist und dann den Tee kochen und warten, bis er abgekühlt ist, sondern man kann gleich lostrinken und verschwendet nicht so viel Zeit.“ „So, so“, kommentierte Donna Alaika ihre Ausführungen, schüttelte den Kopf und wollte wissen: „Wann feierst du dann die Zeit?“ Antonia verstand nicht, was damit gemeint war und fragte daher nach: „Was meinst du mit Zeit feiern?“ Donna Alaika nahm einen tiefen Atemzug und lächelte Antonia freundlich an. Sie ließ sich Zeit für ihre Antwort. „Wenn ich am Morgen munter werde, dann grüße ich zuallererst meine Seele und den Morgen und feiere die Zeit. Ich beginne damit, meinen Tee zuzubereiten und hole das Wasser dafür, da feiere ich Yaku Espiritu, den Geist des Wassers. Ich nehme Kontakt zum Element Wasser auf, danke dafür, dass es mit zur Verfügung steht und meinen Durst stillt, segne es und lasse mich durch das Wasser segnen. Wenn ich dann beginne, das Feuerholz zu schlichten und das Feuer zu entfachen, dann feiere ich Nina Espiritu, den Geist des Feuers. Ich danke dafür, dass es mir zur Verfügung steht und mich wärmt, segne das Feuer und lasse mich durch das Feuer segnen. Wenn dann das Wasser heiß wird und sich der Wasserdampf in den Himmel erhebt, feiere ich Wayra Espiritu, den Geist der Luft. Ich danke der Luft, dass sie mir immer zur Verfügung steht, Atemzug für Atemzug, nehme Kontakt mit dem Element Luft auf, segne es und lasse mich durch die Luft segnen. Wenn ich dann die Teeblätter besorge, um sie ins Wasser zu legen, dann feiere ich Pachamama Espiritu, den Geist der Erde. Ich nehme Kontakt mit dem Element Erde auf, danke für die Teeblätter, die sie mir schenkt, segne sie und lasse mich durch sie segnen. Während der Tee zieht und ich warte, dass er abgekühlt ist und ich mir nicht die Lippen verbrenne, feiere ich Hayka pacha, die Zeit, die ich für all diese wunderbaren Dinge habe. Wann segnest du die Elemente, lässt dich durch die Elemente segnen und feierst die Zeit,wenn dir die Maschine die ganze Zeit wegnimmt?“, fragte Donna Alaika ihre Gastgeberin.
von Maya Linde
Die Stapel eines Lebens
Der Tod ist ein Spiegel,
in dem sich der gesamte Sinn des Lebens spiegelt.
(Das tibetische Buch vom Leben und Sterben)
Die Stapel eines Lebens
Es war einmal ein sehr kluger junger Mann, der im westlich geprägten Teil der Welt lebte. Er absolvierte die Schule mit Bravour und auch das Studium. Er hatte eine sehr hoch dotierte und angesehene Stellung und übte seinen Beruf mit größter Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit aus. Er war korrekt und die Gestaltung seines Lebens grenzte schon beinahe an Perfektion. Er bildete sich ständig weiter und erwarb jede neue Literatur, die er beruflich als relevant wähnte. Da es in der Wohnung nicht ausreichend Platz in den Kästen und Regalen für seine Bücher gab, begann er diese in einer ganz speziellen Art und Weise zu stapeln. In der Reihenfolge, in der er sie erworben hatte, baute er Büchertürme, die wie Steinmännchen in die Höhe wuchsen und manchmal gar nicht so stabil waren, vor allem dann, wenn im unteren Bereich kleinere Bücher zu liegen kamen und im oberen Bereich dickere, größere, schwerere. Der kluge Mann aber fand diese Ordnung hilfreich. Er hatte ein famoses Gedächtnis und konnte sich sehr gut merken, in welcher Reihenfolge er Bücher erworben hatte, und so musste er auch nie lange suchen, um das entsprechende Buch im richtigen Bücherstapel zu finden. Mit den Jahren wuchs natürlich auch die Anzahl der Büchertürme. So viele interessante, wichtige, spannende und relevante Literatur wuchs sozusagen gegen den Himmel oder zumindest bis zum Plafond der Wohnung des klugen Mannes. Alles war bestens organisiert, er fand die Bücher, die er sucht, aufgrund seiner Ordnung sehr schnell und er nahm es gerne in Kauf, dass er im Laufe der Zeit einen richtigen Spießrutenlauf zwischen seinen Büchertürmen veranstalten musste. Er kam gar nicht mehr so einfach vom Bad in die Küche, sondern musste sich langsam und vorsichtig bewegen, um seine schöne Ordnung nicht in Gefahr zu bringen. Er konnte nicht einfach frei durch die Wohnung laufen, sondern musste aufpassen, dass er nicht zu stark auf eine der Dielen stieg, die leicht nachgab, um nicht in Gefahr zu laufen, einen der Büchertürme aus dem mühsam hergestellten Gleichgewicht zu bringen. Und wenn einer der Türme ins Wanken geriet oder gar umstürzte, dann riss er mitunter den einen oder anderen benachbarten Bücherstapel mit. Die Verwüstung kann sich jeder sicher lebhaft vorstellen und die unendlichen Stunden, die es dauerte, damit die Stapel wieder am richtigen Ort und in der richtigen Ordnung aufgerichtet wurden. So nahm der kluge Mann in Kauf, dass es in der Wohnung immer dunkler und dunkler wurde, die Stapel standen ja nicht nur mitten im Raum, sondern auch vor den Fenstern und es kam daher nicht mehr so viel Tageslicht in seine Wohnung. Er hatte sich auch daran gewohnt, nur mehr auf Zehenspitzen langsam durch die Wohnung zu schleichen, um die mühevoll errichteten Büchertürme, die Zeugen seines perfekten Lebens, nicht in Gefahr zu bringen. Besuch empfing er gar keinen mehr, er wollte schließlich sein so sorgfältig gestapeltes Lebenswerk nicht in Gefahr bringen. Als er eines Tages bei einer Routineuntersuchung in das sorgenvolle Gesicht seines Arztes blickte, schwante ihn nichts Gutes. Es handelte sich um eine Erkrankung mit geringsten Heilungsaussichten und der Arzt riet ihm dazu, seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, da ihm nicht mehr all zu viel Zeit bleiben würde. Der kluge Mann war natürlich entsetzt, aber er hatte sofort einen Plan. Er durchkämmte seine Bücherstapel nach jenen Büchern, die er für nicht ganz so wichtig hielt, sortierte sie heraus und setzte diese für sein Leben ein. Er suchte nach Ärzten, Therapeuten und Heilern, die ihm in seiner Situation helfen konnten. Und so schrumpften die Stapel mehr und mehr, weil er mehr und mehr von seinem Lebenswerk dafür einsetzte, Hilfe und Heilung zu finden. Aber seine Diagnose und die schlechte Prognose änderten sich nicht. Der Arzt riet ihm noch einmal dringend dazu, seine letzten Dinge zu regeln, weil man nicht wissen konnte, wie lange ihm noch Zeit dafür blieb, schließlich verhießen die Untersuchungsergebnisse nichts Gutes. Der kluge Mann war sehr niedergeschlagen Er betrachtete die noch verbliebenen Bücherstapel in seiner Wohnung. Es waren seine wertvollsten Bücher, die da in Stapeln noch in seiner Wohnung standen und er fragte sich, was wohl aus ihm werden sollte, wenn er diese Zeugen seines grandiosen Lebens auch noch opferte. Andererseits fragte er sich natürlich auch, was wohl aus diesen Zeugen seines grandiosen Lebens werden würde, wenn es ihm nicht mehr gab. Nachdem er keine direkten Nachfahren hatte, bot er diese mühevoll aufgestapelten wertvollen Bücher seinen Nichten, Neffen, Großnichten Großneffen und sogar seinen Nachbarn an, doch keiner hatte eine Verwendung dafür. Schließendlich kam es dazu, dass er das, was von seinem gesamten Lebenswerk, so wie er es betrachtete, noch vorhanden war, einer Bibliothek vermachte. Denn auch, wenn die Bücher für ihn wertvoll waren, so schienen sie vielen in der Welt nichts zu bedeuten. Da er aber nicht mehr lang auf dieser Erde verweilen würde, packte er alle Bücher in Kisten, diese wurden abtransportiert und in die besagte Bibliothek verfrachtet. Schließlich saß er in seinem so leeren Wohnzimmer, das ihm plötzlich riesig erschien und lichtdurchflutet. Das Sonnenlicht konnte wieder durch das gesamte Zimmer strahlen, weil es von keinen Bücherstapeln mehr abgehalten wurde. Der kluge Mann war erschöpft und traurig, die Tränen stiegen ihm in die Augen, denn nichts war geblieben von ihm, von seinem Leben, zumindest schien es ihm so. Die so sorgfältig erworbenen, studierten, wertgeschätzten und gestapelten Bücher waren alle weg – sein gesamtes Lebenswerk, und nur er saß mutterseelenallein in seiner leeren Wohnung auf dem gepolsterten Lesestuhl und wartete, dass das Unvermeidliche eintreten würde. Aber der Tod kam nicht, nicht an diesem Tag, nicht am nächsten Tag und auch nicht am übernächsten Tag. Der kluge Mann wusste gar nicht, was er tun sollte, denn normalerweise hätte er sich eines seiner Bücher gesucht und gelesen. Aber in Ermangelung eines solchen beobachtete er das Sonnenlicht, das jetzt das Zimmer durchflutete und wie der Staub sich im Licht auf und ab bewegte. Er sah und hörte die Vögel, die sich draußen vor dem Fenster tummelten. Er hatte plötzlich so viel Platz und Sonne in seiner Wohnung, wie er es sein ganzes Leben lang nie gehabt hatte und Zeit. Er hätte sogar Besuch empfangen können, hätte er denn jemanden gehabt, der ihn besuchen hätte wollen, denn es bestand keine Gefahr mehr, dass jemand einen mühevoll gestapelten Bücherturm hätte umwerfen können und er hätte Platz und Zeit dafür gehabt. So saß er in seiner Wohnung und die Helligkeit, die sie jetzt beherbergte und die Weite, die sie ausstrahlte, drang auch in seinen Körper ein. Er wusste nicht, wieviele Tage und Nächte vergangen waren, bis er sich eines Tages aufraffte und seinen Arzt aufsuchte. Dieser schaute in die Untersuchungsergebnisse, die vor ihm lagen, dann schaute er auf den klugen Mann. Er schüttelte den Kopf und schaute erneut auf die Blätter vor ihm und auf den Mann, den er vor kurzer Zeit noch als Todgeweihten gesehen hatte. „Es tut mir leid“, stammelte er, „aber da muss ein Irrtum vorliegen, irgendwas hier stimmt so ganz und gar nicht.“ Der kluge Mann schaute dem Arzt in die Augen und wartete auf eine Erklärung. „Sie sind gesund, vollkommen gesund, es sind keine Anzeichen der Erkrankung mehr zu sehen, ich kann mir das auch nicht erklären, so etwas gibt es einfach nicht“, setzte er fort. Der kluge Mann schaute den weiß Gekleideten ungläubig an und wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte. „Kein Zweifel, sie sind bei bester Gesundheit“, erklärte der Arzt erneut, schüttelte den Kopf und hielt ihm die Hand hin, um sich zu verabschieden. Der kluge Mann machte sich wie in Trance auf den Weg nach Hause, dort setzte er sich in sein lichtdurchflutetes Wohnzimmer und wusste gar nicht, wie ihm geschah. Eine Welle aus seinem Inneren brach sich Bahn und er verspürte Wut und Zorn darüber, dass er so belogen und deswegen um sein Lebenswerk und all seine Bücher betrogen worden war. Ein lauter Schrei entwich seiner Kehle und er schlug Wut entbrannt auf den Tisch. Er brüllte, wie ein verletztes Tier und hämmerte trotz der Schmerzen, die diese Fausthiebe verursachten, viele viele Male auf den Tisch ein. Nur allmählich ebbte diese emotionale Welle ab und machte einer Traurigkeit Platz, die er so nicht kannte. Dicke Tränen tropften aus seinen Augen und er schluchzte viele Male herzzerreißend. Aus Ermangelung an Alternativen ließ er diesen Schmerz und die Tränen einfach durch sich durchlaufen. Es dauerte sehr lange, bis die Tränen versiegten und das Schluchzen ein Ende fand. Die Wut, die er darüber gespürt hatte, dass ihm jemand durch eine falsche Diagnose und Prognose sein Lebenswerk zerstört hatte und die schier unendliche Traurigkeit darüber, wichen einem seltsamen Gefühl, das er so noch nie in sich aufgespürt hatte. Es hatte ja bisher auch keinen Raum dafür gegeben, weil die Bücherstapel diesen immer absorbiert hatten. Es machte sich ein Gefühl der Freiheit breit, eine ganz unbekannte Leichtigkeit griff um sich und es schienen sich Türen und Möglichkeiten aufzutun, die er zeitlebens nicht hatte sehen können. Das alles fühlte sich völlig fremd an, so dass er es im ersten Augenblick eigentlich hatte ablehnen, von sich weisen wollen und er brauchte eine ordentliche Portion Überwindung, damit er diesem kleinen Pflänzchen überhaupt eine Chance gab, sich zu entwickeln. Aber je mehr Platz er ihm einräumte, umso besser gedieh es und auch die Fremdheit wich nach und nach. „Vielleicht sind wir gar nicht auf der Welt, um Stapel unseres Lebens anzulegen, sondern um das Sonnenlicht hereinzulassen, die Freiheit und die Leichtigkeit zu leben?“, ging es ihm durch den Kopf.
Die (Fehl-) Diagnose und (Fehl-)Prognose hatten zwar sein Lebenswerk zerstört, zumindest das, was er dafür gehalten hatte, aber genau sie hatten auch sein Leben gerettet, denn nur der Tod vor der Tür hatte die Macht gehabt, sein Leben so grundlegend zu verändern und nur das, hatte ihn gesund werden lassen.
von Maya Linde
Unterwegs im Leben
Unterwegs im Leben
Sogar im Himmel hielten QM (Qualitätsmanagement) und der Statistikwahn Einzug und so brauchte man jemanden für diese Abteilung, um die relevanten Daten zu erfassen. Der junge Mann, der sich auf diese Stelle bewarb, dachte sich nichts weiter dabei und begann damit, Daten zu erheben und Listen anzulegen, all das, was man an so einer Stelle zu tun hat. Im Laufe seiner Tätigkeit stellte er allerdings seine Arbeit immer mehr in Frage. Er war nämlich nur dazu da, um Zahlen, Daten, Fakten festzuhalten, zusammenzustellen und weiterzuleiten, aber es gab keine Möglichkeiten, irgendwie einzugreifen, um diese zu verändern, auch nicht, wenn es Sinn gemacht hätte und das machte ihn unzufrieden.
So saß er einmal mehr auf seinem bequemen Bürosessel im Himmel mit idealem Ausblick auf die Erde und notierte, die Anzahl derer, die ihre Lebensreise zum größten Teil auf der Autobahn des Lebens verbrachten und machte Striche für die wenigen, die es vorzogen, auf ihrer Lebensreise weder mit dem Auto noch auf den großen Straßen des Lebens zu fahren. Es war einfach unglaublich, wie sehr die großen Monsterstraßen, wie er die Autobahnen bezeichnete, die Menschen in ihren Bann zogen. Der junge Statistikmacher, dem das bloße Datenerheben langweilte, begann daher damit, sich dafür zu interessieren, warum es die meisten Menschen offensichtlich vorzogen, auf der Autobahn ihres Lebens zu fahren, anstatt die spannenden, schönen aber auch kurvenreichen und mitunter gefährlicheren Straßen zu benutzen, die an ganz andere Orte führten, als die wenigen Autobahnen. Und der junge Statistiker hatte plötzlich nicht mehr nur die Daten im Blick, sondern die Menschen und ihre Motive, was zwar gar nicht seine Aufgabe war, ihn aber umso mehr interessierte.
Die Erdenreise der Menschenkinder begann meistens schon auf einer solchen, große, wunderbar ausgebauten und mit allen Schikanen versehenen Straße, einer Autobahn des Lebens. Auf dieser lief man nicht Gefahr, abzustürzen, vom Weg abzukommen oder die Orientierung zu verlieren. Es gab Leitschienen, die die Straßen begrenzten, Bodenmarkierungen, große Überkopfwegweiser und vor allem ganz viele Menschen, die eben diese Straßen wählten, um durchs Leben zu kommen. Die eigene Familie war meist auch schon auf der Autobahn unterwegs. So zu fahren (leben) wie alle anderen, fühlte sich einfach gut und richtig an. „So falsch kann es gar nicht sein, wenn es alle so machen,“ war man sich sicher. Mitunter hatte man natürlich auch von alternativen Möglichkeiten, durchs Leben zu reisen, gehört und einzelne erwogen auch das eine oder andere Mal, das Verkehrsmittel zu wechseln oder gar die Autobahn zu verlassen und eine der kleinen Straßen oder gar einen unbefestigten Weg zu benutzen, aber das war offensichtlich gar kein so leichtes Unterfangen. Benutzte man nicht ein entsprechendes Auto oder ein anderes ähnlich motorisiertes Verkehrsmittel, konnte und durfte man die Autobahn natürlich nicht benutzen. Die Autobahn war ausschließlich diesen schnellen und effektiven Verkehrsmitteln vorbehalten und ein Fahrrad zum Beispiel hätte nicht nur den Benutzer sondern auch den reibungslosen Ablauf auf den Autobahnen gefährdet. Trotzdem gab es immer wieder einzelne mutige Menschenwesen, die sich dem allgemein gültigen Konsens widersetzten, es ablehnten, ein Auto zu benutzen und die Autobahnen deswegen verließen und auch verlassen mussten. Meist wurde das mit Kopfschütteln der anderen quittiert und es kam auch gar nicht so selten vor, dass diese mutigen Andersmacher, die aufs Fahrrad umgestiegen waren oder gar zu Fuß unterwegs gewesen waren, reumütig zurückkehrten. Letztendlich boten das Auto und die Autobahnen so viel Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten, die man außerhalb einfach nicht finden konnte. In adäquaten Abständen befanden sich Tankstellen und Raststätten, so dass man nie Gefahr lief, liegenzubleiben oder nichts zu essen und zu trinken zu haben. Auch wenn die Preise an den Autobahnen deutlich höher waren und die Qualität nur durch- oder unterdurchschnittlich, so nahm man das gerne in Kauf, immerhin wurde auch für Versorgung, Sicherheit, Sauberkeit etc. gesorgt, so dass einem keine Gefahren drohten. Und die vielen Menschen, die auf den Autobahnen unterwegs waren, vermittelten einem auch das Gefühl, dass das alles schon richtig und in bester Ordnung war, sich im Auto auf der Autobahn fortzubewegen. Und wenn sich wirklich einmal jemand mit dem Auto, dem Fahrrad oder gar zu Fuß aufmachte, einem großen Traum zu folgen und die Autobahn tatsächlich verließ, so wurde er belächelt. Die Autobahnfraktion meinte nämlich zu wissen, dass der Abtrünnige mit Sicherheit all die Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten, die die Autobahn einfach mit sich brachte, schmerzlich vermissen würde und viele orakelten auch, dass er sicher bald wieder reumütig zurückkehren würde, was tatsächlich nicht selten passierte. Aber was aus denen wurde, die tatsächlich dauerhaft auf den kleinen Wegen des Lebens mitunter auch zu Fuß unterwegs waren, wusste man nicht, man lief sich ja nicht mehr über den Weg, dorthin führten die Autobahnen ja nicht. Außerdem waren die Autobahner sich sicher, sie hatten mit Sicherheit einen viel zu großen Vorsprung gegenüber den anderen, weil man ja abseits der großen Straßen gar nicht mehr so schnell vorankam. Das war auch so ein Mysterium der Monsterstraßen. Jeder wollte irgendwie möglichst schnell sein und sie schlugen natürlich auch alle die gleiche Richtung ein, immerhin konnte man auf Autobahnen nur in eine Richtung fahren. Keiner hinterfragte, ob es denn wirklich zielführend war, möglichst schnell und reibungsfrei irgendwohin zu kommen, wo alle hinkommen wollten und dabei völlig überteuerte Lebensmittel von meist geringer Qualität zu verzehren. Es war einfach so und es schien gut und richtig zu sein. Man konnte auf den Autobahnen überall bequem bargeldlos zahlen, während des Autofahrens auch telefonieren oder Musik hören, es war dank der Sitzheizung angenehm warm im Rücken oder auch entsprechend kühl dank der Klimaanlage…, das Auto schien einfach die sinnvollste und beste Wahl für die Lebensreise zu sein und die Autobahnen daher die ideale Straße.
Und trotz all den (scheinbaren) Vorteilen gab es immer wieder einzelne Ausbrecher aus der Autobahn. Der Statistiker im Himmel verfolgte mit großem Interesse, wie sich denn das Leben für die gestaltete, die die Autobahnen mieden. Er konnte feststellen, dass es vor allem jene wagten, die aus Familien kamen, die in irgendeiner Weise Erfahrung damit hatten. Ihnen machte es nicht so - wie den Menschen, die aus „Autobahnfamilien“ stammten - Angst, dass sie verhungern, erfrieren, abstürzen oder wie auch immer ums Leben kommen konnten, wenn sie nicht die ausgebauten und ausgefahrenen Straßen samt deren rundum Versorgung benutzten. Die Autobahnflüchtigen kamen tatsächlich viel langsamer voran und sie hatten in der Tat in der Regel viel weniger Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten am Weg, dafür gab es anderes. Das langsamere Reisen ermöglichte ihnen viel mehr Aus- und Einblicke aufs Land und ins Leben. Sie hatten viel mehr Zeit, weil sie nicht so schnell unterwegs waren, auch zum Verweilen und Genießen. Die Sonnenunter- und -aufgänge waren von einem Berg oder vom Meer aus betrachtet jenen auf den Autobahnen haushoch überlegen. Die mitunter auch schwierigeren Situationen am Weg ließen sie wachsen und die wenigen Menschen, die weitab von den Autobahnen unterwegs waren, wo es weder bargeldlose Bezahlung noch Läden an jeder Ecke gab, freuten sich, wenn man sich traf und waren neugierig aufeinander und die jeweiligen Lebensgeschichten. Die Unterstützung, die jene sich untereinander zuteilwerden ließen, die abseits der Autobahnhorden unterwegs waren, machte es nicht so notwendig, an jeder Straßenecke versorgt zu sein, überall Wegweiser zu haben oder ein Leitsystem etc. Das Leben dieser Außenseiter der kleinen Straßen und Wege des Lebens war wesentlich reicher an Erfahrungen, aber natürlich auch an Herausforderungen. Die Lebensmittel waren weniger aber echter, frischer und besser. Sie mussten viel mehr auch mit Widrigkeiten umgehen lernen, weil das die unbefestigten und unmarkierten Wege erforderten. Sie waren in der Regel zufriedener und genügsamer und auch einsamer, wobei ihnen die Einsamkeit öfter Freund als Feind war. Sie kamen in der Regel ihrem Reiseziel sehr nahe. Auch wenn sie es nicht immer vollends schafften, ihr Lebensziel zu erreichen, so gab es doch meist eine sehr große Annäherung daran. Während die Menschen auf den Autobahnen oft scharenweise kilometerweit von ihrem Reiseziel entfernt ziemlich schnell in die falsche Richtung unterwegs waren und das aufgrund der Annehmlichkeiten, Bequemlichkeiten und Ablenkungen nicht einmal wahrnahmen.
Der junge Statistiker im Himmel fand das alles sehr interessant und weil er voller Elan und Tatenkraft steckte, wollte er das den Menschen auf der Erdenreise unbedingt alles mitteilen, was er beobachten hat können. So sehr er sich auch bemühte, er konnte gar nicht laut genug schreien, um den Lärm der Autobahn zu übertönen. Und so ist es auch heute noch so, dass die Autobahnen bevölkert sind von Menschen, die Bequemlichkeiten lieben und die vielen Annehmlichkeiten und möglichst schnell irgendwohin kommen möchten und dabei meist gar nicht mehr das eigentliche Lebensziel im Auge haben.
Entdecke deine Wünsche
Entdecke deine Wünsche
Als sie das hörte, konnte sie sich dem Gefühl einfach nicht erwehren, irgendwie aus der Zeit gefallen oder vielleicht unerklärlicherweise an einem Morgen auf einem falschen Planeten erwacht zu sein. Natürlich war sie mit ihren 90 Jahren nicht mehr taufrisch und up to date, wie die Jugend so schön zu sagen pflegte. Sie hatte auf ihrer Lebensreise bis hierher bereits viel erlebt und auch miterleben müssen, viel, sehr viel. Aber das, was ihre Urenkelin ihr da erzählt und gezeigt hatte, war jetzt doch von einem Kaliber, das einfach ihre Vorstellungskraft überstieg. Wie war es möglich, dass sich die Menschheit, das Leben an sich, die Lebensweisen und die Vorstellungen der Menschen innerhalb eines Menschenlebens derart drastisch veränderten? Es kam ihr beinahe vor, als gehöre sie einer anderen Spezies an. War in der Menschheit eine Entwicklung hin zum Homo Artificialis (der künstliche Mensch) passiert, ohne dass sie es gemerkt hatte? Sie war davon überzeugt, dass der Mensch der Bezeichnung Homo Sapiens (der weise Mensch) nie wirklich gerecht geworden war, zumindest nicht in ihrer Lebensspanne, aber was sie hier von ihrer Urenkelin zu sehen und zu hören bekam, konnte ihrer Einschätzung nach nicht von einem weisen Menschen kommen.
Sie, die sie das Ende eines Krieges miterlebt hatte, dessen Verwirrungen, Verwundungen, Verzweiflungen, den Hunger, die Armut und die Not dieser Zeit, konnte sich gut erinnern an die großen Wünsche des kleinen Kindes damals: Sich einmal sattessen können, Würstel nicht nur einmal im Jahr zu Weihnachten, ein Paar Schuhe, die einem passten und die man mit niemanden teilen musste oder einen neuen Wintermantel, der wirklich warm war. Wie sehr hatte sie sich nach einer Puppe gesehnt, die sie aus- und anziehen konnte und vielleicht sogar einen Puppenwagen, aber derlei Dinge konnte man sich damals, als man nicht wusste, wovon man eigentlich seine Familie ernähren sollten, einfach nicht leisten. Auch ein eigenes Bett hatte sie sich als Schülerin sehnlichst gewünscht, andererseits hielten sich die Geschwister im Winter, wenn die Eisblumen am Fenster wuchsen, gegenseitig warm. Und dass der Papa gesund aus dem Krieg zurückkommen würde und der Onkel und überhaupt, dass der Krieg endlich aufhören würde und der Hunger und all das, was damit zusammenhing. Wie sehr hatte sie sich den Frieden herbeigesehnt. Und später gab es dann den großen Wunsch, in eine höhere Schule gehen zu dürfen, was für sie als Mädchen aber gar nicht in Frage kam. Es fehlte einfach am Geld. So blieben leider natürlich auch das Studium und der Traumberuf, einmal Ärztin zu werden, gänzlich unerreichbar. Für ihre Urenkel waren das aber Geschichten aus einer anderen Zeit, fast schon von einem anderen Planeten oder eben vielleicht einer anderen Spezies. Ihre Urenkelin zeigte ihr, wie das die jungen Menschen heutzutage alles machten. Sie nutzten einen Computer mit KI, der ihnen half, ihre Wünsche zu finden. Die Uroma schüttelte nur den Kopf. Die Kinder und jungen Leute heutzutage wussten tatsächlich nicht, was sie sich eigentlich wünschen sollten und brauchten einen Computer, der ihnen sagte, was sie sich wünschten. Es war einfach nur unglaublich.
„Weihnachtswünsche mit Hilfe von KI: Mit diesem Prompt bekommst du grandiose Wunschideen“
und
„Entdecke deine Wünsche mit KI-generierten Bildern. Beantworte nur 16 gezielte Fragen und lass‘ die KI deine Wünsche visualisieren,“
las sie da auf der Seite, die ihr ihre Urenkelin zeigte. Sie wusste nicht, was ein Prompt war, aber alleine die Tatsache, einen Computer fragen zu müssen, was man sich wünschen sollte, schien ihr mehr als nur unverständlich. Was war da passiert? Wie verrückt war das denn eigentlich? Die Menschheit war offensichtlich in der glücklichen Lage, wunschlos zu sein. Das hatte es wohl im Laufe der Geschichte, die sie kannte, noch nie gegeben. Und jetzt generierte man künstlich Wünsche mit Hilfe der KI. Wozu sollte das denn gut sein?
Und es wurde noch seltsamer. Ihre Urenkelin war gerade so richtig in Fahrt und zeigte ihr, dass die Menschen heutzutage schon einen Avatar heiraten konnten. Ein Avatar – so hatte sie ihr erklärt - war irgendetwas, was der Computer erzeugen konnte, und dieses nichtexistierende Etwas konnte man jetzt auch tatsächlich heiraten, zumindest in Japan war das laut ihrer Urenkelin schon gang und gäbe. Ihr sauste der Kopf. All das hörte sich an, als stammte es aus einem dieser seltsamen Science-Fiction Filme oder einem anderen Planeten, aber dem war nicht so. Das, was sie da las, war einem Zeitungsbericht entnommen.
„Die US-Amerikanerin Alaina W. sorgt mit ihrer ungewöhnlichen Ehe für Aufsehen: Die ehemalige Professorin ist mit einer Künstlichen Intelligenz (KI) verheiratet, die in Form des Avatars namens Lucas auftritt.“
Sie war froh, als ihre Urenkelin einen Anruf erhielt und diese schnell wegmusste. Sie hatte genug gehört und gelesen von der schönen neuen Welt da draußen. Sie schüttelte immer noch den Kopf. Unglaublich, es war einfach unglaublich. Wenn sie ehrlich war, hatte sie in ihrem Leben schon so manches Mal gehadert mit den Umständen ihres Lebens. Sie hatte sich des Öfteren gewünscht, sie hätte es nicht so schwer gehabt, nicht so viele Entbehrungen hinnehmen müssen, nicht so viele unerfüllte Wünsche und mehr Möglichkeiten im Leben gehabt. Aber all diese Entbehrungen schienen ein Leichtes zu sein gegenüber der Tatsache, dass man heutzutage zwar materiell bestens ausgestattet war, aber des Wunsches und der Menschlichkeit entbehrte.
von Maya Linde
Das ungleiche Zwillingspaar
Das ungleiche Zwillingspaar
Vor langer Zeit lebte einmal ein ungleiches Zwillingspaar. Lia und Lea waren zwar im gleichen Haus auf die Welt gekommen und hatten die gleichen Eltern gehabt, die gleichen Dinge erlebt aber lebten und erlebten doch zwei völlig unterschiedliche Leben.
In Lias Leben gab es, wie im Leben aller Menschen, immer wieder Schwierigkeiten und kleinere und größere Probleme, also eine Menge von Kieseln und Steinen bis hin zu wirklich großen Felsbrocken, die zwischen ihren Füßen und auf ihrem Weg, also in ihrem Leben lagen. Und wenn jeder so sein Binkerl zu tragen hat – wie man in ihrer Heimat im schönen Österreich gerne sagt, so schien ihr doch ihr Binkerl sehr groß, und unhandlich. So viele Steine am Weg, ganze Kieselhaufen, Felsbrocken und massive Steinformationen. Sie konnte mitunter nur schwer oder gar nicht an ihnen vorbei, ohne sich daran zu stoßen, zu verletzen und sich zu verwunden. Sie nahm jeden dieser Steine mit nach Hause und stellte ihn auf ein Regal. Jeder, der vorbeikam, konnte die Steine sehen und begutachten und von Lia hören, welcher Stein und welcher Fels ihr welche Verletzungen, welche Blessuren und Narben zugefügt hatte. So wurde mit den Jahren ihr Haus immer voller und voller und sie konnte sich kaum mehr darin bewegen. Ihre Wunden, Verletzungen und Blessuren heilten nur schwer oder gar nicht ab und auch ihre Narben quälten sie.
Auch in Leas Leben gab es, wie im Leben aller Menschen, immer wieder Schwierigkeiten und kleinere und größere Probleme, also eine Menge von Kieseln und Steinen bis hin zu wirklich großen Felsbrocken, die zwischen ihren Füßen und auf ihrem Weg lagen, also ihr Leben nicht gerade einfach machten. Auch sie hatte ihr Binkerl zu tragen und konnte mitunter nur schwer oder gar nicht an den Steinen auf ihrem Weg vorbei, ohne sich daran zu stoßen, mitunter sich auch zu verletzen und zu verwunden. Auch Lea nahm jeden einzelnen Stein in die Hand, aber sie nahm keinen mit nach Hause und sie stellte auf gar keinen Fall einen solchen Stein in ein Regal. Nein, sie nahm jeden einzelnen Brocken, der ihr im Weg lag, auf, hielt ihn in ihren Händen und betrachtete ihn. Immer fiel es ihr nicht ganz einfach ihn vollkommen zu akzeptieren und dann loszulassen. Sie ärgerte sich auch dann und wann über den einen oder anderen Stein oder Felsen, so dass ihre Wunden und Narben schmerzten, tat dann aber das, von dem sie überzeugt war, dass es der einzige Weg zum Glück war. Sie übte radikale Akzeptanz, nahm den Stein an, den Schmerz die Verletzung und mitunter auch die Lehre, die sie daraus ziehen konnte und ließ dann vollends los, indem sie jeden einzelnen Stein dem Wasser übergab. Manchmal legte sie einen Kiesel ganz vorsichtig ins Wasser nahe dem Ufer eines Sees, manchmal schleuderte sie einen weit hinaus ins offene Meer und wieder ein anderes Mal donnerte sie einen Felsen von einer Brücke in den Fluss. Jeder Stein und jeder Kiesel, jeder Fels und jeder Brocken hatte in dieser Hinsicht seinen ganz eigenen Weg und Lea setzte ihren Weg dann steinlos fort. Ihr Haus war und blieb daher lichtdurchflutet und geräumig, es gab nämlich keine Steine, Felsen und Brocken, die es ausfüllten und sie an der Bewegung hindern hätten können. Und es gab daher auch keinen Anlass über irgendwelche Steine, Kiesel oder Felsbrocken zu sprechen. Die Wunden, Verletzungen und Blessuren heilten immer, nachdem sie die Steine dem Wasser übergeben hatte, schnell ab und auch wenn es die eine oder andere Narbe gab, so hatten diese keine Macht über sie oder ihr Leben.
Antonios Reise
Antonios Reise
Antonio war ein Mann mittleren Alters. Eigentlich war er ganz zufrieden mit seinem Leben, denn er hatte eine liebe Frau und zwei Kinder. Er wohnte in einem schönen Haus mit Garten und er verdiente ausreichend, so dass sie sich auch den einen oder anderen Luxus leisten konnten, aber was ihm von Zeit zu Zeit Schwierigkeiten bereitete, war seine Gesundheit. Trotz intensiver medizinischer Behandlung wurde diese nicht besser. Seine Ärzte zuckten nur mit den Schultern und wussten auch nicht recht, wie sie ihm helfen konnten. Deswegen suchte er nach langem Überlegen einen Schamanen auf und bat ihn um Hilfe. Der Schamane ließ ihn sich auf den Boden legen, er schaute ihn mit halb zugekniffenen Augen an, befragte sein Pendel, arbeitete mit der Rassel und der Feder, verteilte Rauch im Raum, fuchtelte wie wild mit den Händen herum und ließ ihn zum Abschluss wissen, dass er zum Rauchen aufhören sollte, sich anders ernähren sollte und mehr Bewegung machen. Es könnte auch nicht schaden, täglich Beziehung zur Natur aufzunehmen, Dankgebete zu sprechen, um in die Gesundheit zu kommen. Und so verabschiedete sich Antonio und machte sich auf den Heimweg. Es ging ihm besser, daher schlug er die Mahnungen und Aufgaben des Schamanen in den Wind und lebte sein Leben, so wie er es immer gelebt hatte.
Mehr als ein Jahr war vergangen, da stellten sich erneut gesundheitliche Probleme ein, für die die Ärzte kein Heilmittel wussten. Wieder suchte er den Schamanen auf und bat ihn um Hilfe. Der Schamane ließ ihn sich auf den Boden legen, er schaute ihn mit halb zugekniffenen Augen an, befragte sein Pendel, arbeitete mit der Rassel und der Feder, verteilte Rauch im Raum, fuchtelte wie wild mit den Händen herum und ließ ihn zum Abschluss wissen, dass er dringend zum Rauchen aufhören sollte und sich anders ernähren sollte. Mehr Bewegung sei unbedingt notwendig. Es sei angezeigt, täglich Beziehung zur Natur aufzunehmen und Dankgebete zu sprechen, um in die Gesundheit zu kommen. Und so verabschiedete sich Antonio und machte sich auf den Heimweg. Es ging ihm besser, daher schlug er die Mahnungen und Aufgaben des Schamanen in den Wind und lebte sein Leben, so wie er es immer gelebt hatte.
Nur wenige Monate waren diesmal vergangen, da stellten sich erneut gesundheitliche Probleme ein, die heftiger und bedrohlicher waren, als jene zuvor. Seine Ärzte schüttelten nur den Kopf und wussten nicht weiter. Und wieder suchte Antonio den Schamanen auf und bat ihn um Hilfe. Der Schamane ließ ihn sich auf den Boden legen, er schaute ihn mit halb zugekniffenen Augen an, befragte sein Pendel, arbeitete mit der Rassel und der Feder, verteilte Rauch im Raum, fuchtelte wie wild mit den Händen herum und ließ ihn zum Abschluss wissen, dass er unbedingt sofort zum Rauchen aufhören müsse und sich komplett anders ernähren. Außerdem müsse er täglich ausrechend Bewegung machen und dringend eine tiefe Beziehung zur Natur herstellen. Dankgebete seien unumgänglich so wie eine intensive Meditationspraxis, um in die Gesundheit zu kommen. Und so verabschiedete sich Antonio und machte sich auf den Heimweg. Es ging ihm besser. Er versuchte einen Teil der Vorschläge des Schamanen umzusetzen, aber schnell vergaß er die Ermahnungen wieder, schlug all die guten Vorsätze in den Wind und lebte sein Leben, so wie er es immer gelebt hatte.
Aber es kam, wie es kommen musste.
Nur wenige Wochen nach seinem letzten Besuch beim Schamanen, bekam er schreckliche Bauchschmerzen und bei einer Untersuchung im Krankenhaus stellte man fest, dass er einen großen Tumor im Bauch hatte. Die Mediziner meinten, sein Zustand sei sehr ernst und damit sei nicht zu spaßen. Er müsse möglichst schnell den operativen Eingriff machen lassen und anschließend eine Stahlen- und Chemotherapie.
Antonio war geschockt. Warum passierte das ihm? Wieso ausgerechnet ihm? Er war verzweifelt. Aber bevor er ins Krankenhaus ging, um sich operieren zu lassen, wollte er noch einmal den Schamanen aufsuchen, auch wenn er nicht viel Hoffnung hatte. Er machte sich also erneut auf den Weg zum Schamanen. Er sagte ihm nichts von der Diagnose. Der Schamane ließ ihn auf den Boden liegen, er schaute ihn mit halb zugekniffenen Augen an – dabei hob er ein paar Mal deutlich die Augenbrauen und stieß einen hohen Pfiff aus. Er verteilte Rauch im Raum, fuchtelte wie wild mit den Händen herum, hantierte mit Kristallen und trommelte wie wild. Er befragte sein Pendel, schüttelte den Kopf, arbeitete erneut mit der Rassel und der Feder und fragte ihn zum Abschluss: „Und, was willst du jetzt tun?“
Antonio fragte den Schamanen, was er denn meinte. Dieser antwortete: „Du kommst jetzt schon seit einiger Zeit zu mir, immer auf der Suche nach Gesundheit und trotzdem hast du dich noch nicht einen Schritt bewegt. Antonio schaute verwirrt und wollte wissen: „Wie meinst du das?“ Der Schamane erklärte. Der Weg in die Gesundheit ist eine Reise und man muss viele Schritte unternehmen, bis man dorthin kommt. Du warst doch sicher schon einmal auf dem Gipfel eines Berges. Um dorthin zu kommen, musst du viele Schritte machen. Wenn dir einer erzählt, was du einpacken musst und wo du hingehen musst, wie der Weg verläuft und wie du es am besten schaffst, wird dir das alles nichts nützen, wenn du dich nicht selbst auf den Weg machst und gehst. Wenn dir jemand deinen Rucksack abnimmt, dir zu essen und zu trinken vorbeibringt, wird dir das nichts nützen, so lange du nicht selbst gehst. Du wirst nie den Gipfel erreichen und nie die Aussicht genießen können, so lange du nicht selbst die Schritte gehst. Seit du zu mir kommst, sage ich dir, wohin du gehen sollst, was du einpacken sollst, nehme dir den Rucksack ab und bringe dir zu essen, aber du hast noch nicht einen Schritt vor den anderen gesetzt, um dich Richtung Heilung aufzumachen.“ Antonio hatte zugehört und war bestürzt. Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass ohne das Durchführen der Aufgaben des Schamanen er nicht geheilt werden konnte, nein noch schlimmer, dass er in so einem Zustand enden würde. Tränen liefen ihm über die Wange und er schluchzte laut: „Und was soll ich jetzt tun?“ „Geh!“, sagte der Schamane und Antonio sah in verzweifelt und fragend an. Was meinte der Schamane damit? Warf er ihn hinaus? War er enttäuscht oder beleidigt, weil er seinen guten Ratschlägen nie gefolgt war? „Du musst endlich anfangen zu gehen, wenn du den Gipfel erreichen willst!“, fügte der Schamane nach einer kleinen Pause hinzu. „Werde ich dann gesund?“, fragte Antonio verzweifelt. „Du weißt nie, ob du den Gipfel wirklich erreichen wirst, es könnte Schlechtwetter hereinbrechen, der Weg könnte verschüttet sein, es könnte sein, dass du dich am Weg um ein verletztes Schaf kümmern musst oder was auch immer. Nur eins ist gewiss, wenn du nicht beginnst, den ersten Schritt zu machen, dann kommst du sicher nie hinauf!“ Und mit diesen Worten entließ ihn der Schamane. „Aber wie genau geht das mit dem ersten Schritt?“, wollte Antonio noch wissen. „Setz‘ all das um, was ich dir Sitzung für Sitzung gesagt habe! Hör sofort auf zu rauchen, ernähr‘ dich anders, Bringe Bewegung in dein Leben, stelle eine intensive Beziehung zur Natur her, spreche Dankgebete und meditiere jeden Tag und in deinem Falle wären momentan auch Feuerzeremonien anzuraten… All das sind die Schritte, die dich auch jetzt noch Richtung Gipfel führen können, obwohl es natürlich jetzt viel schwieriger ist, weil du dich in einer sehr ernsten gesundheitlichen Krise befindest. Nur du kannst gehen - Schritt für Schritt. Ob du je dort ankommst, kann dir aber keiner sagen - nur dass du sicher nicht ankommen wirst, wenn du nicht endlich beginnst, loszugehen.
von Maya Linde
Der Mythos von Mayind und Minday
Der Mythos von Mayind und Minday
Mayind befand sich, so lange sie denken konnte, in einem tiefen Verlies, dem finstersten Kerker, den man sich vorstellen konnte, er hatte Gitter vor den Fenstern, hinter denen man nichts außer Dunkelheit erkennen konnte, manchmal zog ein Windhauch durch ihren Kerker, von dem sie allerdings nicht wusste, woher er kam. Der Boden war feucht und lehmig und die Wände aus Stein, kalt und abstoßend. Nichts gab es in diesem Gefängnis, das angenehm, weich, warm, licht oder hoffnungsvoll erschien.
Mayind wusste nicht, wie sie in das Verlies gelangt war und auch nicht, warum man sie da eingesperrt hielt. Sie fragte sich immer und immer wieder nach dem WARUM und WOZU in den abertausenden dunklen Stunden, aber keine Antwort wurde ihr zuteil. Die Dunkelheit und die Nacht, die Ausweglosigkeit und die Einsamkeit führten sie immer tiefer in die Verzweiflung, in der sie in der dunklen Nacht der Seele auf Minday in ihrem Inneren traf. Minday fragte Mayind, welche Ängste sie denn verfolgten. Mayind musste nicht lange nachdenken, um diese Frage zu beantworten. Sie hatte Angst vor der Finsternis und der Einsamkeit, aus der es kein Entrinnen gab und der Kälte, die ihrer Gesundheit schadete und gegen die sie sich nicht wehren konnte. Sie hatte Angst davor, verrückt zu werden, krank zu werden, ihr Leben zu verpassen, nichts richtig zu machen. Sie hatte Angst zu versagen, nichts mehr zu schaffen, nicht mehr lebensfähig zu sein, wenn sie einmal aus dem Verlies herauskommen sollte. Sie hatte Angst vor dem Leben außerhalb des Verlieses. Sie hatte Angst, in der Welt draußen, wenn sie dorthin käme, auch nicht bestehen zu können. Sie hatte Angst, nicht akzeptiert, nicht geliebt und nicht geschätzt zu werden, überflüssig zu sein und einsam. Je länger sie in dem Verlies eingesperrt war, umso mehr und umso größer waren ihre Ängste geworden, bis sie schließlich auch schon eine Angst vor den Ängsten entwickelt hatte. Minday hörte aufmerksam zu und Mayind war richtiggehend erschrocken. Es war das erste Mal, dass sie sich diesen Dingen ehrlich stellte. Sie war geradezu schockiert, was da alles in ihr schlummerte. Es war schmerzlich, aber auch irgendwie befreiend, diese Dinge zu sehen und auszusprechen. Und Mayind nickte ihr aufmunternd zu. Sie verfügte über Zauberkräfte und kaum war eine Angst ans Licht gebracht und betrachtet worden, so verlor sie an Macht und verblasste langsam immer mehr. Minday begriff am Anfang gar nicht, was da geschah, sie überließ sich dem Geschehen, denn auch wenn es ungewohnt und nicht einfach war, fühlte es sich doch irgendwie richtig an. Mayind stellte ihre zweite Frage: „Welche Glaubenssätze halten dich hinter Schloss und Riegel?“ Was war das für eine komische Frage? Wieso um alles in der Welt, sollten Glaubenssätze sie hinter Gitter halten, fragte sich Minday. Aber je länger sie darüber nachdachte und sich der Frage wirklich stellte, in sich nachforschte, umso klarer wurde ihr, dass es da ganz tief innen drinnen doch Überzeugungen gab, die sie nicht gerade frei machten. Ob sie nicht doch selbst daran schuld war, dass sie überhaupt in dem Kerker saß und nicht herauskam, ging ihr durch den Kopf. Vielleicht müsste sie sich einfach nur viel mehr anstrengen, um aus dem Verlies herauszukommen? Und vielleicht hatte sie es gar nicht anders verdient, weil sie nicht gut genug war, schön genug war, genug geleistet hatte…? Es war ganz unglaublich, was sich da so tief drinnen finden ließ. Ob sie es denn wirklich wert war, in der Welt draußen zu leben, fand sie da noch in der Tiefe. Und so sicher war sie sich nicht, ob es da draußen denn überhaupt einen Platz für sie gab und jemanden, der sie mochte, so wie sie war. Konnte man sie denn überhaupt mögen, so wie sie war? Und wie war sie denn eigentlich? Sie kam sich so verloren vor in dem dunklen Verlies, das keinen Lichtstrahl durchließ, dass sie gar nicht so genau wusste, wer dieses Ich denn eigentlich war. Und aus Minday sprudelte es richtiggehend heraus. Mayind hörte immer noch aufmerksam zu, ihre Zauberkräfte brachten nicht nur jede Angst nach dem ausgesprochen worden sein, dazu, weniger zu werden und sich nach und nach aufzulösen, sondern sie brachten auch jede Überzeugung und jeden Glaubenssatz in dem Moment zum Schmelzen, in dem Minday diese bewusst wahrnahm und aussprach. Und damit verschwand auf wundersame Weise Stein für Stein auch das Verlies, das offenbar aus Ängsten, Glaubenssätzen und Überzeugungen errichtet gewesen war. Das Geschehen fühlte sich magisch an und Mayind konnte es gar nicht fassen, dass sich plötzlich alle Steine, aus denen das Verlies gebaut gewesen war, Stück für Stück langsam auflösten und immer mehr Licht zu ihr durchdrang. Es wurde heller und heller in ihrem Leben, und damit auch wärmer und wärmer und das nach so langer Zeit der Dunkelheit. Die Enge und das Eingesperrtsein hatten endlich ein Ende gefunden. Sie konnte es kaum glauben, all das wirklich zu erleben. Wärme, Helligkeit, Freiheit, Weite und unendlich viele Möglichkeiten hielten plötzlich Einzug. So viele Türen standen ihr nun offen. Sie konnte gehen, wohin sie wollte. Sie konnte tun, was sie wollte. Aus so vielen Möglichkeiten konnte sie jetzt wählen. Während sie der Glückstaumel noch gefangen hielt, kam ihr aber auch zum Bewusstsein, dass sie dadurch nun auch sehr gefordert war. Sie war nämlich die Helligkeit, die Freiheit, die Möglichkeiten nicht gewohnt. Sie hatte in ihrem Verlies nie Entscheidungen treffen müssen und sie kannte die Gefahren und Risiken ja gar nicht, die diese Freiheit mit sich brachte. Und als die Angst davor langsam in ihr hochkroch, sah sie auch, dass das Licht gedämpfter wurde und ein riesiger Stein ihr die Aussicht in eine der Richtungen versperrte. Es war so, als würde sich das Verlies wieder daran machen, sich erneut aufzubauen. Mayind war verunsichert, aber da spürte sie Minday in sich. Mit ihrer Hilfe stellte sich auch dieser Angst und der Stein verschwand langsam wieder. Während Mayind noch dabei war, die neu gewonnene Freiheit zu erkunden und zu begreifen, stellte ihr Minday die dritte Frage: „Mit welchen Stärken und Überzeugungen wirst du dich in dieser Welt da draußen, die Chancen und Möglichkeiten aber auch Gefahren, Risiken und Unbekanntes für dich bereithält, bewähren?“ Mayind war etwas verwirrt, denn der erste Weg führte sie in die altbekannte Angst und die Welt begannen sich erneut zu verdunkeln. Als sie diese aber bewusst wahrnahm, schaute sie ihr in die Augen und drehte um. Sie machte sich auf die Suche nach alternativen Wegen und augenblicklich verschwand die Dunkelheit wieder. Sie schlug einen anderen Weg ein, atmete tief durch, kam zur Ruhe und wurde still. Dann begann sie langsam Antworten in ihrem Inneren zu finden. Es waren mitunter winzig kleine Samen und ganz zarte Pflänzchen, die ihr da unterkamen. Mayind betrachtete sie mit Wohlwollen und war sich bewusst, dass diese Pflänzchen viel Behutsamkeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung benötigten, damit sie zu großen starken Pflanzen heranwachsen konnten. Die Pflänzchen hießen Lebenswille, Freude, Mut, Neugierde, Kreativität, Gesundheit, Hoffnung und sie fand auch noch eine Menge anderer Keimlinge. Selbstwert und Selbstliebe waren gerade beim Keimen und dort lagen auch noch Samen für Selbstbewusstsein und, Selbstakzeptanz, Wertschätzung, Stärke, Stolz, Selbstvertrauen, Selbsterkenntnis, Wissen, Weisheit und noch ganz viel mehr. So viele Samen und Keimlinge, so viele kleine Pflänzchen, all das zusammen bildete einen wunderschönen leuchtenden, farbenfrohen Teppich, der Mayinds Weg in die Freiheit bedeckte. Auf diesem weichen, warmen, bunten Teppich und mit Mindays Hilfe, die ihr jederzeit zur Verfügung stand, wenn sie sich ihrer besann, ließ es sich nun ganz gut in das neue Leben, die neue Freiheit und ins Unbekannte mit allen Risiken, Gefahren und Chancen hineingehen.
Als die Flüsse ihre Bestimmung vergaßen
Als die Flüsse ihre Bestimmung vergaßen
Vor langer langer Zeit, als es auf er Erde noch ganz anders ausschaute als heute, als es noch keine Straßen und keine Autos gab, keinen Strom und keine Beleuchtung, keine Fabriken und keine Häuser und auch keine Menschen, da passierte eines Tages etwas Seltsames, und man weiß bis heute nicht genau warum.
Einer der zahlreichen Flüsse auf Erden begann ganz plötzlich nicht mehr bergab und ins Meer zu fließen, sondern in die entgegengesetzte Richtung. War es aus Jux und Tollerei, aus Unwissenheit oder Dummheit oder gar aus Boshaftigkeit, es konnte nie ergründet werden. Ein Fluss, er war nicht einmal besonders groß und auch nicht besonders lang, begann eines Tages seinen vorherbestimmten Weg von der Quelle zum Ozan zu verlassen und vom Ozean aus bergauf zu fließen, bis er weit weit oben am Berg, dort wo er normalerweise als kleine, sanfte Quelle entsprang, ankam. Das war natürlich nicht nur seltsam, so dass die Berge und Steine, Pflanzen und Tiere, der Wind, die Sonne und die Sterne staunten und verwundert waren, sondern es war auch ganz und gar gegen die Natur. Es floss immer mehr und mehr Wasser vom Ozan zurück hinauf auf den Berg, dem Ursprung dieses Flusses. Der Berg war aber nicht -so wie der Ozean – dazu gemacht, so viel Wasser aufzunehmen und so quoll das Wasser in der Quelle über und über, es erfüllte alle Hohlräume des Berges und stürzte, da der Wassernachschub nicht endete, auch von allen Seiten den Berg hinunter. Das viele Wasser brachte die Dinge aus dem Gleichgewicht, die Hohlräume im Berg füllten sich mit Wasser, Felsen wurden mit den Wassermassen mitgerissen und stürzten vom Berg, Muren lösten sich und mit einem mehr als heftigen Poltern kam Unordnung in die Welt. Und keiner weiß warum, aber plötzlich begannen auch andere Flüsse ihre vorbestimmte Fließrichtung zu verlassen und vom Ozean Richtung Quelle zu strömen. Und nicht nur das, Felsen standen nicht mehr unverrückbar still, sondern begannen ins Tal zu donnern, die Erde bebte und selbst die Pflanzen- und Tierwelt fing an, plötzlich in Unordnung zu geraten. Die Blumen steckten von nun an ihre Blüten nicht mehr aus der Erde heraus, sondern ließen sie im Erdreich blühen und dort auch Früchte bringen. So konnten aber die Bienen und anderen Tiere keine Nahrung mehr finden, da sie nicht wie die Würmer unter der Erde lebten. Das Erdreich hatte aber wegen der vielen Blüten und Früchte, die die Pflanzen unter der Erde machten, keinen Platz mehr für die Wurzeln, die dort eigentlich hätten sein sollen, und so streckten sie diese kurzerhand in die Luft, wo sie aber keinen Halt fanden, so dass sie umfielen und nicht mehr in der Lage waren, ihre Aufgabe zu erledigen. Egal, wo man hinschaute, die Welt war aus den Fugen geraten und wäre es so weitergegangen, dann wäre sie wohl untergegangen, nur weil ein Fluss und in der Folge viele Flüsse, Berge, Pflanzen, Tiere… ihre Bestimmung vergessen oder ignoriert hatten. Aber irgendjemand, Spirit, der große Geist, Gott oder ein Engel, ein Zwerg, eine Elfe, ein Drache oder es könnte auch ein Einhorn gewesen sein – egal wer und wie auch immer – jemand kam und hatte Einsehen mit der Welt und gab den Flüssen, den Bergen, den Blumen, den Tieren… - allen und allem hier auf Erden ihre BESTIMMUNG zurück. So wusste das Wasser wieder, wo es hinzufließen hatte, und die Felsen, wo sie ihren Platz hatten, die Blumen, dass sie die Köpfe aus der Erde strecken mussten und die Wurzel in die Erde gehörten…. Und so wurde die Welt Stück für Stück wieder zu dem wunderbaren Ort, der sie vorher gewesen war, wo die Bienen Blumen fanden, an denen sie sich laben konnten, die Wurzeln der Bäume im Erdreich verankert waren, die Flüsse von der Quelle ins Meer flossen, wo das Wasser ausreichend Platz hatte usw. usw. Die Welt schien wieder in schönster Ordnung zu sein.
Aber wie es so ist in der Welt und anderswo, so passieren Fehler oft nicht nur ein einziges Mal und dann nie wieder, sondern es kommt nicht selten vor, dass sie sich in der einen oder anderen Weise wiederholen.
Vor gar nicht allzu langer Zeit begann sich - zuerst kaum merklich - diese Sache in einer gewissen Art und Weise zu wiederholen. Dieses Mal waren es allerdings nicht die Flüsse, die damit aufhörten, ihrer Bestimmung nachzukommen, sondern die Menschen begannen mit einem Mal, ganz seltsame Verhaltensweisen an den Tag zu legen und sich mehr und mehr von ihrer eigentlichen Bestimmung zu entfernen. Sie halfen nicht mehr zusammen, um alle möglichst gut leben zu können, sondern begannen einander auszugrenzen, auszunutzen und zu bekriegen. Sie teilten nicht mehr miteinander und auch nicht mehr mit der Erde, sondern die Menschen begannen alles für sich zu beanspruchen, an sich zu nehmen, zusammenzuraffen ohne Rücksicht auf Verluste. Sie fingen damit an, ihre Lebensgrundlage nicht mehr zu ehren, sondern diese mit Füßen zu treten und zu verschmutzen. Sie passten nicht mehr auf auf ihren Planeten, der ihr Zuhause war und ihnen alles gab, was sie brauchten, sondern beuteten ihn aus und verschmutzen ihn mehr und mehr. Dort wo früher saftige grüne Wiesen gewesen waren, standen plötzlich stinkende und qualmende Fabriken. Dort wo früher ein lebendiger, Kraft strotzender Urwald gestanden hatte, gab es auf einmal Brachland, wo nichts mehr wuchs. So begann die Welt erneut aus den Fugen zu geraten. Das Klima geriet in Unordnung, da wo es eigentlich regnen sollte, damit die Pflanzen wachsen konnten, herrschte Dürre und anderswo regnete es so viel, dass alles ertrank. Winde begannen als Stürme und wurden zu Tornados und Taifunen, die alles hinwegfegten. Das klare, köstliche Wasser, das eigentlich Durst löschen konnte und Pflanzen das Wachstum verlieh, war nicht mehr sauber und gesund, sondern brachte Seuchen und Krankheiten, weil Abfälle und Abwässer es verunreinigten. Schwermetalle wurden einfach ins Meer gekippt, wo sie die Meeresbewohner krank machten, und zahlreiche Ölpesten kosteten Millionen von Tieren das Leben. Vögel verhungerten, weil sie die bunten Plastikteile verschluckten, die überall herumlagen, die aber für sie nicht genießbar waren. Es gab riesige Inseln aus Plastik in den Meeren, wo nichts Lebendige mehr zu finden war. Die Lebensräume zahlreicher Tiere und Pflanzen wurde mehr und mehr beschnitten, so dass diese massenhaft ausstarben. So begann die Welt erneut aus den Fugen zu geraten. Dieses Mal aber war es der Mensch, der auf seine eigentliche Bestimmung vergessen hatte. Aber Spirit, Gott, die Engel, Zwerge, Gnome, Einhörner, Drachen oder wer auch immer hatten auch dieses Mal ein Einsehen und schickte der Erde Hilfe in Form von Steinen. Weise Männer und Frauen, Medizinleute, Schamanen und Schamaninnen, Lamas, Priester und Priesterinnen, die eine Verbindung zur Urkraft der Natur hatten, begannen Bestimmungssteine herzustellen. Das waren Steine, die mit Mutter Erde in einem tiefen Kontakt standen, den Wind in sich trugen sowie den Regen, die Sterne, den Mond und die Sonne und die im Feuer transformiert worden waren. Die Weisen aller Länder stellten diese Bestimmungssteine her und übergaben sie den Menschen, jung und alt, egal welcher Hautfarbe und welcher Religion, damit sie wieder zu ihrer Bestimmung zurückfinden konnten. Die Kinder taten sich leicht, sie hielten ihre Bestimmungssteine an ihr Herz und wurden ganz still und schon hörten sie ihre Steine zu ihnen sprechen, von Herz zu Herz. Die Älteren taten sich mitunter schwerer mit dem Stillwerden und Zuhören, aber je mehr Bestimmungssteine einen Menschen fanden und je mehr Menschen wieder ihre Bestimmung fanden, umso mehr kam die Welt wieder ins Gleichgewicht, so wie sie es auch damals getan hatte, als die Flüsse ihre Bestimmung wiedergefunden hatten.
Und wenn ein Stein nach dir ruft, dann nimm ihn mit. Er trägt den Wind in sich und den Regen, die Sonne, den Mond und die Sterne, er hat eine tiefe Verbindung zur Erde und kennt das Feuer, aus dem er kommt. Nimm ihn mit, halte ihn in Ehren und lege ihn immer wieder an dein Herz, damit es sich mit dem Herzen der Erde verbindet und wieder erinnert wird an seine wahre Natur, an seine Bestimmung und so die Welt wieder in Harmonie und Ordnung gerät.
von Maya Linde
Die drei Wassertropfen im großen Meer
Die drei Wassertropfen im großen Meer
Sie stand da und schaute. Sie schaute sicherlich schon eine gute Stunde und trotzdem staunte sie immer noch über das gewaltige Naturschauspiel und konnte sich nicht und nicht losreißen. Sie stand ungefähr fünf bis sieben Meter über dem Meeresspiegel und blickte hinunter in die felsige Bucht, auf die die Wellen trafen. Es war ein starker Seegang und so dröhnte das Wasser geradezu. Jede neue Welle brachte eine regelrechte Wasserexplosion, die sich in die Höhe ergosss, nur um dann zurück ins Meer zu streben. Sie liebte dieses Schauspiel. Sie genoss den Wind, das Dröhnen des Wassers, dieses rhythmische Herein und Hinaus der Wellen und die unaufhörlich sich zerberstende Gischt. Dort, wo das Wasser auf die in V-Form angeordneten Felsen traf, schien das Brodeln am heftigsten zu sein. Vor diesem V befand sich ein weiterer kleinerer Felsen, den die meisten Wellen vollkommen überspülten, bevor sie sich an den großen V explosionsartig in Gischt auflösten, nur um wieder zurück ins Meer zu fallen und erneut Teil einer Welle zu werden. Sobald eine Welle sich zurückzog, entstand zwischen dem Felsen-V und dem Stein davor ein regelrechtes Loch, ein Strudel von großer Gewalt, in den sie nicht hätte geraten wollen, denn es schien nicht so, als hätte irgendetwas oder irgendjemand diesem gewaltigen Strudel trotzen können. Die nächste Welle überspielte diesen Felsen wieder vollkommen und zerbarst aufs Neue und der Sog entfachte einen Strudel der vermutlich alles und jeden, der sich da unten im Wasser wiedergefunden hätte, verschlugen hätte. Sie war fasziniert von dieser enormen Kraft, diesem ewigen Hereinbrechen und Rückzug der Wellen, dem dadurch entstehenden machtvollen Strudel und den immer neuen Mustern der spritzenden Gischt, denn nicht eine glich der anderen. Es war ein nicht endendes Feuerwerk von Wassertropfen. Und kam einmal auf der einen Seite die Gischt besonders hoch und die Wassertropfen schienen ganz besonders hoch zu spritzen, so waren sie das nächste Mal unvermutet an einer ganz anderen Stelle mit ganz neuen Formationen ganz besonders bewundernswert. Sie staunte und sie konnte nicht aufhören diesem wunderbaren Schauspiel ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Unvermutet rollte eine noch größere Welle heran und die Gischt ergoss sich in einem bisher von ihr noch nicht beobachteten Ausmaß, so dass ein paar der Wassertropfen ihr ins Gesicht spritzten. Sie erschrak kurz und war gleichzeitig gebannt, ob der unbändigen Kraft, die sich da vor ihr entfaltete und aus der drei kleine Wassertropfen ihre Haut benetzt hatten. Drei winzige unscheinbare Wassertropfen, ganz ohne Kraft, ohne Macht, ohne irgendeine Bedrohung zu sein, waren da in ihrem Gesicht gelandet und waren doch vorher Teil dieser unbändigen Kraft gewesen, die unbarmherzig dort unten tobte und kein Erbarmen kennen würde, wäre man in ihren Fängen. Unfassbar, dass diese kleinen Wassertropfen, sobald sie im Meer sind, über solche Kraft und Macht verfügten. Sie staunte immer noch und verfolgte das Bersten der Wellen, das Spritzen der Gischt, die Macht des Ozeans. Und sie staunte darüber, dass ein Tropfen, ein so kleiner Teil davon, einerseits so wenig anrichten konnte und andererseits als Teil des großen Ganzen, eine so unbändige Kraft besaß. Ein Wassertropfen, wieviel Bewusstsein wohl in ihm lag? Das war wohl kaum der Rede wert. Und wenn ein solch kleiner Wassertropfen, der vermutlich über weniger Bewusstsein verfügte als ein Mensch, bereits als großes Ganzes so mächtig sein konnte, welche Macht würde wohl der Menschheit zukommen, wenn nicht jeder Mensch für sich alleine sondern alle gemeinsam für ein großes Ganzes wirken würden. Ob man da nicht Dinge bewegen könnte, von denen man jetzt noch glaubt, sie wären unmöglich.
von Maya Linde
Inanas Steinlehre
Inanas Steinlehre
Inana war ein sehr sonderbares Kind, zumindest fanden das die anderen. Sie konnte stundenlang am Strand sitzen und mit den Steinen spielen. Auch am Fluss oder am See hielt sie sich gerne auf und brauchte nichts mehr als die Steine, mit denen sie sich offensichtlich gut unterhielt. Sie warf keine Steine ins Wasser, sie baute auch keine Steinmännchen oder Steintürme, sie grub keine Wassergräben, nein sie saß nur da inmitten der Steine, berührte sie, ordnete sie mal so und mal anders, sprach mit ihnen und war rundum zufrieden. Die Erwachsenen schüttelten nur ihre Köpfe und verstanden nicht, was Inana an den Steinen fand. Sie war schon ein sonderbares Kind. Die anderen Kinder konnten nichts mit ihr anfangen, denen war es viel zu langweilig, nur mit den Steinen zu spielen. Sie packten ihre ferngesteuerten Boote aus und sausten mit ihnen durchs Wasser, sie hatten ihre Bagger und Schaufeln dabei, mit denen sie ganze Wehranlagen errichteten. Dort ging es laut zu und hektisch. Ständig musste etwas passieren. Kaum war die Wehranlage gebaut, schon brauchte es ein neues Projekt, so musste man etwas anderes finden, das man machen konnte, womit es sich spielen ließ. Nur Inana saß abseits all dem Trubel und war ganz versunken. Sie nahm die Welt rundum sich gar nicht richtig wahr. Pedro, ihr Patenonkel, setzte sich zu ihr. Sie sprachen beide lange kein Wort. „Was genau machst du da?“, fragte er nach einer Weile. „Siehst du das denn nicht?“, gab sie völlig überrascht zurück. „Ich bewundere die Steine!“ Ihr Patenonkel hob fragend die Augenbrauen. „Und was genau bewunderst du daran?“, wollte er wissen und schaute mit gerunzelter Stirn die vielen Steine an, die rundum sie lagen, er konnte sich nicht wirklich vorstellen, was man daran bewundern konnte. „Na, du stellst vielleicht Fragen! Es gibt an jedem Strand, an jedem Fluss, an jedem See Abermillionen Steine und trotzdem gibt es nicht zwei gleiche – ist das nicht wunderbar?! Jeder dieser Steine ist einzigartig in seiner Form, in seiner Farbe, in seinem Sein, obwohl es so viele Millionen davon gibt. Unglaublich! Und schau mal, jeder dieser Steine ist so schön. Vor allem, wenn die Steine nass sind, dann kommen ihre Farben und die Schattierungen so richtig zur Geltung. Es ist unwahrscheinlich wie viele verschiedene Farbnuancen, Formen und Größen es gibt. Sie gefallen mir alle, ich kann mich nie entscheiden, wem ich den Vorzug geben sollte. Sieh dir diesen hier an mit den vielen eingesprenkelten schwarzen Punkten oder den da mit den unterschiedlichen Schichten und der mit dieser Gesteinsader drinnen, den finde ich auch besonders schön.“ Inana war so begeistert und konnte gar nicht mehr aufhören zu erzählen: „Und sie freuen sich so die Steine, wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkt, wenn man mit ihnen spricht, sie berührt und ihre Schönheit sieht. Eigentlich sind sie wie Menschen, nur halt nicht so laut! Und weißt du, ich glaube, wenn man die Schönheit in jedem Menschen mehr sehen und würdigen würde und die Einzigartigkeit eines jeden mehr schätzen, dann müssten sie vielleicht auch gar nicht so laut sein, die Menschen.“ Pedro war sprachlos und berührt von den Erklärungen seiner kleinen Nichte. Wie konnte nur ein so kleiner Mensch so weise Gedanken hegen? Er wäre gerne noch länger bei ihr gesessen und hätte ihr zugehört und mit ihr Steine betrachtet, beachtet und wertgeschätzt, aber die anderen riefen schon nach ihm, streckten ihm sein Getränk entgegen und prosteten ihm laut zu. „Lass sie doch, sie tut eh‘ keinem was, und zu helfen ist ihr auch nicht!“, rief einer zu ihm herüber, „komm‘ und trink‘ mit uns!“ Er war hin- und hergerissen. Es fühlte sich so richtig an, was Inana da tat und von sich gab, aber die Freunde, die Familie, die Kinder konnten nicht sehen und nicht hören, nicht fühlen, was Inana sah, hörte und fühlte. Ja, ihr war wirklich nicht zu helfen, aber ihr musste auch gar nicht geholfen werden, es waren vielmehr die anderen, die eigentlich der Hilfe bedurften.
von Maya Linde
Marina hört zu
Marina hört zu
Als Marina gerade wieder einmal im Garten saß und mit den Blumen sprach, kam ihre Tante vorbei. „Was machst du denn da?“, wollte diese wissen. „Ich unterhalte mich mit den Blumen“, erklärte Marina ihrer Tante. Diese lächelte milde und machte ihrer Nichte klar: „Weißt du, Blumen haben keine Ohren und keinen Mund, die können gar nicht mit dir sprechen.“ Marina schaute verdutzt und erwiderte: „Aber dir brauchen doch keine Ohren und keinen Mund!“ „Ja Liebes, wie sollte man denn sonst mit jemanden sprechen können?“, schüttelte Tante Irmi nur ungläubig den Kopf, „das bildest du dir doch nur ein, Pflanzen können nicht sprechen!“ Marina war entsetzt. Ob ihre Tante das wirklich meinte, was sie da sagte? Konnte es sein, dass ihre Tante nicht mit den Pflanzen sprechen konnte? Das war für Marina eigentlich unvorstellbar. Sie sprach so gerne mit den Blumen und den Bäumen und den Sträuchern und alle hatten ganz viel zu erzählen, vor allem die Geschichten der alten Bäume liebte sie. Sie konnte stundenlang an einen Baumstamm gelehnt sitzen und zuhören, was der Baum zu erzählen hatte. „Du sollst deine Hausaufgaben machen und nicht immer herumphantasieren!“, schimpfte ihre Mutter und jagte sie ins Haus, wo sie sich missmutig an die Hefte setzte, viel lieber wäre sie draußen gewesen und hätte mit den Pflanzen und Tieren geredet und gespielt, aber sie sagte nichts. Immer öfter musste sie ihre Zeit in der Natur unterbrechen, weil es etwas Wichtigeres zu tun gab. Einmal waren es die Schule und die Hausübungen, dann wieder musste sie mit Mutter zum Einkaufen oder mit Vater irgendwohin auf Besuch. Auch wenn sie gerne mit zum Rummelplatz ging oder zum Trampolinspringen, die Zeit, die sie in der Natur alleine nur mit ihren Pflanzen verbrachte, wurde immer weniger und die Stimmen immer leiser. Je älter sie wurde, umso wichtiger wurde das „richtige“ Leben und es blieb ihr kaum noch Zeit sich mit den Pflanzen auszutauschen. Sobald sie es aber irgendwie einrichten konnte, machte sie sich auf in den Garten, um mit den Blumen zu reden und den Bäumen zuzuhören. Die anderen nannten sie wunderlich und ihr Vater meinte es nur gut mit ihr, als er ihr erklärte: „Mit dem Kinderkram könntest du jetzt wirklich einmal aufhören, die anderen glauben ja schon, du bist nicht ganz richtig im Kopf!“ Marina wollte eigentlich nicht damit aufhören, denn sie unterhielt sich gerne mit den Pflanzen, das waren wirklich schöne Gespräche, die sie da führte, so von Herz zu Herz ohne Ohren oder Mund zu brauchen, aber sie wollte nicht ausgelacht und verlacht werden, daher kam es immer seltener vor, dass sie die Zeit und die Möglichkeit fand mit Pflanzen zu sprechen und irgendwann hörte diese für andere lästige Angewohnheit auch wirklich auf.
Viele Jahre später saß die Familie bei einer Geburtstagsfeier am Tisch und man sprach über alte Zeiten. „Wisst ihr noch, als Marina immer im Garten saß und erzählte, sie würde mit den Blumen sprechen?“, lachte Tante Irmi lauthals und alle anderen stimmten mit ein, nur Marina nicht. Es gab ihr einen Stich und sie nahm sich vor, die nächstbeste Gelegenheit zu nutzen, um im Garten mit den Blumen und Bäumen zu sprechen. Als sie dann endlich die Gelegenheit dazu gefunden hatte, alleine im Garten zu sein, merkte sie, dass die Pflanzen nicht mehr zu ihr sprachen. Sie konnte sie nicht hören und sie fragte sich, ob sie sich das vielleicht wirklich alles nur eingebildet hatte und phantasiert. Je mehr Jahre vergingen, umso unsicherer war sie sich, ob sie je wirklich mit den Blumen und Bäumen hatte reden können oder ob diese Geschichten einfach ihrer blühenden Phantasie entsprungen waren.
Als sie selbst Mutter war und ihre kleine Tochter im Garten spielte, belauschte sie einmal ein Gespräch zwischen ihrer Tochter und Tante Irmi: „Aber nicht doch, Pflanzen haben keine Ohren und keinen Mund und die können nicht sprechen und hören!“ Marina traf es wie ein Blitz. Vielleicht hatte sie sich das doch alles nicht eingebildet? Sobald Tante Irmi weg war, ging sie zu ihrer Tochter und fragte sie: „Erzähl mir, was die Pflanzen sagen!“ Ihre Tochter schaute sie verunsichert an und wollte zuerst nicht recht, aber ihre Mutter erklärte ihr, dass sie als Kind selbst hatte mit den Bäumen sprechen können und sie diese aber jetzt nicht mehr verstehen könne, deswegen brauche sie ihre Hilfe. Sie fasste langsam Vertrauen und begann zu erzählen, was die Bäume sie wissen ließen. „Versprich mir, dass du nie aufhören wirst, mit den Pflanzen zu sprechen, egal was all die anderen sagen, vor allem die Erwachsenen. Sobald man beginnt aufzuhören, verlernt man es und dann kann man es nicht mehr zurückholen!“ Ihre Tochter verstand nicht wirklich, was ihre Mutter ihr sagen wollte, denn für sie war das Sprechen mit den Pflanzen nichts anderes als das Sprechen mit den Menschen, wieso sollte man eines davon plötzlich nicht mehr können? Aber Marina wusste, wovon sie sprach und damit ihre Tochter erst gar nicht auf die Idee kam, das Sprechen mit den Pflanzen zu vernachlässigen, ging sie so oft wie möglich mit ihr hinaus in die Natur und ließ sich von ihr erzählen, was Bäume, Sträucher, Gräser und Blumen zu sagen hatten. Und es dauerte zwar eine ganze Zeit, aber ganz langsam begann es, dass Marina die Pflanzen wieder ein wenig verstehen konnte und mehr und mehr mit ihnen reden. Sie beide hängten die Sache nicht an die große Glocke, denn die anderen hätten es sowieso nicht verstanden, aber für sie waren diese Stunden in und mit der Natur sehr wertvoll. Sie konnten beobachten, wie die kleinen Kinder allesamt in der Lage waren, mit den Pflanzen zu sprechen und sich mit ihnen auszutauschen, bis ihnen die Erwachsenen überzeugend erklärten, dass dies nicht möglich war und sie daher davon abließen. Nur wer das Glück hat, jemanden wie Marina an seiner Seite zu haben, der kann sich diese Gabe vielleicht behalten.
von Maya Linde
Das Elend der ganzen Welt
Das Elend der ganzen Welt
Ernesto stand am Hafen und schaute hinaus aufs Meer. Seine Stirn war in tiefe Falten gelegt und seine Stimmung nicht die beste. Wie um alles in der Welt, sollte es je anders werden können? Er hatte doch wirklich alles versucht, um seinen Teil zur Verbesserung der Welt beizutragen, aber wie es schien, war das nicht nur nicht genug, sondern kaum der Rede wert. Er arbeitete mehr oder weniger Tag und Nacht und trotzdem schaute die Welt so aus, wie sie ausschaute und es gab keine oder kaum einen Grund dafür, zu glauben, dass sich dies ändern ließ. Die Müllberge wuchsen überall, illegale Deponien in vielen Teilen der Welt verseuchten das Erdreich, jeden Tag starben erneut Bakterien, Insekten und Tiere aus und trotzdem wurden weiterhin Insektizide und Pestizide eingesetzt, die das verursachten und förderten. Die schweren Traktoren verdichteten weiterhin zusätzlich das Erdreich und der Humus verschwand zum Teil oder wurde leerer und leerer. Der Ölteppich, den die Havarie des großen Tankers hinterlassen hatte, breitete sich mehr und mehr in Küstennähe aus, tausende tote Seevögel trieben an Land und im Landesinneren wütete ein Waldbrand, angefacht von den warmen Winden und ausgelöst durch ein unachtsam weggeworfenes Streichholz. Und damit war noch gar nicht die Lage der ganzen Welt beschrieben. Die Urwälder, die abgefackelt wurden, nur um Monokulturen entstehen zu lassen, die wiederum den Boden zerstörten. Die Bevölkerung, die vertrieben wurde, die Bodenschätze, die in einer Art und Weise ausgebeutet wurden, das Vieh, das in einer Art gehalten wurde, dass es einem widerstrebte überhaupt hinzuschauen und die Pflanzen, die man nicht nur mit Chemie behandelte, sondern auch noch gentechnisch verwandelte, ohne Rücksicht zu nehmen auf die Natur und ohne wirklich zu wissen, wie dieses Spiel mit dem Feuer sich wohl auf das Ganze und uns Menschen auswirken wird. Und hätte er noch länger nachgedacht und sinniert, es hätte noch so viel gegeben, was ihm eingefallen wäre und was diesen nicht so guten Lauf der Welt noch illustrieren hätte können, der immer noch wachsende Bodenverbrauch, der Verkehr, die Flugzeuge... Er fragte sich angesichts all dieser Probleme und Katastrophen, warum der Mensch so war, wie er war und konnte es einfach nicht verstehen. Wie sollte das nur weitergehen? Während er so dastand und schwere Gedanken wälzte, stritten hinter ihm zwei Jungs und schrien sich unflätige Worte ins Gesicht. Jeder wollte dieses elektronische Ding haben und in ihrem Streit zerstörten sie es, so dass die Aggressionen stiegen. Währenddessen hupte ein Ferrari-Fahrer laut und überholte in einer unfairen Manier. „Warum sind die Menschen nur so?“, fragte sich Ernest. Auf seinem Weg durch den Hafen war er mittlerweile an einem Bauzaun angekommen, der ihm am Weitergehen hinderte. Hier hatte einer der wirklich Reichen alles aufgekauft und baute sich irgendein Luxusanwesen hin mit eigenem Hafen und der „Normalsterbliche“ durfte diesen Bereich nicht mehr betreten. Warum in alles in der Welt, war die Welt so, wie sie war. Er hätte sich so dringend eine bessere, eine schönere, eine gerechtere Welt gewünscht und erträumt und auch dafür gearbeitet. Aber egal, was er auch tat und wie sehr er sich auch dafür einsetzte, es blieb letztendlich global gesehen wirkungslos, wenn überhaupt, war es ein Tropfen auf dem heißen Stein, der sofort verdampfte. Er drehte um, ging zurück zum Pier, setzte sich auf den Steg und schaute missmutig ins Wasser. Da erst bemerkte er einen alten Mann, der nicht weit von ihm, eine Pfeife rauchend auf einem alten Schifferboot saß. „Was ist los mit dir?“, fragte ihn der Alte. Missmutig antwortete Ernesto: „Nichts, was soll schon los sein?“ Der Alte nahm seine Pfeife aus dem Mund, hob die Augenbrauen, lächelte ihn an und meinte nur: „Die Wolke, die du mit dir da herumschleppst, schaut nicht gerade nach Freude aus.“ Ernesto war genervt, die Welt war schlecht und er konnte nichts dagegen tun. Wozu sollte er sich da jetzt mit diesem alten Fischer unterhalten, der nichts verstand von den wirklichen Problemen der Welt? „Die Wolke macht die Welt auch nicht besser“, hörte er den Alten sagen. Aber was wusste der schon von seinen Sorgen, seinen Überlegungen und dem traurigen Zustand der Welt. Er sollte ihn einfach in Ruhe lassen. „Du siehst die Sache von der falschen Seite!“, ließ der Alte nicht locker. Ernesto war ziemlich entnervt und wollte sich schon anschicken zu gehen, zu fliehen, diesem alten Fischer zu entkommen, der ihn störte und am Denken hinderte - ihn, der er doch so sehr nach einer Lösung für die Welt, nach Abhilfe gegen all diese schlimmen Dinge suchte. „Setz dich doch zu mir und lass deinen Sorgen Pause machen!“, lud ihn der alte Mann ein. Ernesto war schon am Sprung gewesen, aber irgendetwas an diesem Menschen, ließ ihn zögern und die Einladung annehmen. „Du siehst es von der falschen Seite!“, erklärte ihm der Alte. Ernesto war sofort aufgebracht und echauffierte sich. Was konnte man da von der falschen Seite sehen, wenn die Menschen die Erde kaputt machten und das Leben von Menschen und Tieren am Spiel stand, die Natur zerstört wurde…!“ Der alte Mann ließ ihn einfach reden, aber in einer Atempause meinte er nur lapidar: „Du hast Recht!“ Ernesto verstummte für einen Augenblick. Er gab ihm also Recht. Er war ein wenig verwundert darüber und wollte schon ansetzen, weiter über die katastrophalen Zustände der Welt und in der Gesellschaft überhaupt zu wettern, als der Alte zu einem zweiten Satz ansetzte. „Aber du kämpfst an der falschen Front.“ Ernesto war erzürnt. Wie konnte der alte Mann, der keine Ahnung von der Welt hatte, ihm erklären wollen, wie man gegen all das in der Welt ankommen konnte? Wenn er schon so klug war, warum tat er es dann nicht, warum wollte er ausgerechnet ihn dann belehren? „Warum machen die Menschen all das, was dir so sauer aufstoßt?“, wollte der Alte jetzt von ihm wissen. „Weil sich alles immer ums Geld dreht, die Menschen böse sind, keiner…“, brach es aus Ernesto heraus, der das so satthatte und dem das alles so gegen den Strich ging, „und weil sie dumm sind“, ergänzte er dann noch. „Du hast Recht“, stimmte ihm der Alte zu, „aber warum tun sie das alles?“ Ernesto schüttelte den Kopf, er hatte es ihm doch gerade erklärt und er ärgerte sich darüber, dass der Alte so einfältig war, vermutlich auch dumm oder ihm nicht richtig zuhörte. „Stell dir vor, du hättest eine Gruppe von zehn oder zwanzig Jugendlichen vor dir, die nichts anderes zu tun haben, als ununterbrochen Papier zu zerreißen und die Papierschnitzel in der Welt zu verteilen, was nicht besonders schön ausschaut und auch nicht so toll ist für die Natur. Wenn du jetzt als Einzelner versuchen würdest, alle diese Schnitzel aufzuheben, um so die Natur zu retten und schöner zu machen, würdest du eine Chance haben?“ „Was soll das?“, knurrte Ernesto, der nicht verstehen konnte, was dieses Kinderrätsel sollte, es konnte sicher die Welt nicht zu einem besseren Ort machen, wonach er aber trachtete. „Was würde helfen, die Welt von den Papierschnitzeln zu befreien?“, bohrte der alte Mann weiter. Ernesto schüttelte nur den Kopf und ging gar nicht auf die Frage ein. „Du kannst natürlich immer bessere Methoden erfinden, die Papierschnitzel aufzuräumen und Menschen, die dir dabei helfen, aber so lange die Jugendlichen nicht aufhören, die Papierschnitzel zu verteilen, wirst du nie ans Ziel kommen!“ Was um alles in der Welt, wollte der Alte von ihm? Ernesto schüttelte nur unaufhörlich den Kopf und schickte sich an, zu gehen. „Ernesto, hör mir zu!“, forderte er ihn auf und Ernesto war wie von der Tarantel gestochen. Woher wusste der Alte seinen Namen, woher kannte er ihn? „Du musst aufhören, die Papierschnitzel aufzuheben, was heißt, gegen die Katastrophen in der Welt zu kämpfen…“ Da unterbrach ihn Ernesto sehr rüde: „Ja, damit die Welt den Bach runtergeht!“ „Das tut sie mit den Aufräumbemühungen vielleicht auch“, meinte der Alte. Ernesto wurde immer wütender, der alte Mann regte ihn auf, noch dazu schmunzelte er dabei! „Ernesto, du musst die Leute dazu bringen, dass sie keine Papierschnitzel mehr wegwerfen!“, warf er ihm vor die Füße und Ernesto regte das so auf, dass er ihn regelrecht anschrie: „Und wie bitte schön, soll das gehen? Das wirst du wohl auch wissen, wenn du schon so klug bist!“ „Du musst die Menschen glücklich machen!“, erklärte der Alte. „Damit sie die Welt glücklich kaputt machen?“, warf ihm Ernesto vor die Füße. Aber der alte sah ihn nur lächelnd an und erklärte: „Die Menschen machen doch alles des Geldes wegen, weil sie glauben, dass das Geld sie glücklich machen würde oder das, was sie damit kaufen oder erreichen können. Wenn sie aber schon vorher glücklich sind, dann müssen sie eigentlich nichts mehr des Geldes wegen tun. Nimm die Abkürzung, und hilf den Menschen, gleich glücklich zu sein, dann brauchen sie all das nicht mehr. Wer glücklich ist, bricht keinen Streit vom Zaun, muss den anderen nicht übers Ohr hauen, muss nicht ständig immer mehr verdienen, will nicht auf Kosten der anderen leben, muss die Natur nicht zerstören… „Der Alte machte eine kurze Pause. „Eigentlich wollen die Menschen nur glücklich sein, aber das haben sie vergessen und vor allem haben sie vergessen, wie man glücklich ist“, schloss der Alte seine Ausführungen. Er stand auf, lächelte Ernesto an, steckte seine Pfeife an und war plötzlich weg. In Ernestos Kopf blieben nur die Worte zurück: „Hilf den Menschen, glücklich zu sein, das ist die Lösung!“ Ernesto schaute sich um und konnte den alten Mann nirgends mehr sehen. Er fragte einen Fischer, der zwei Boote weiter seine Arbeit verrichtete, ob er den alten Mann kennen würde. Der schüttelte nur den Kopf: „Welchen alten Mann? Du bist hier die letzten zwei Stunden ganz alleine gesessen, da war kein alter Mann!“, und er widmete sich wieder seinen Fischernetzen.
von Maya Linde
Auf der Suche nach dem Glück
Auf der Suche nach dem Glück
In einem Gespräch mit einem jungen Mann über seinen zukünftigen Lebensweg wurde klar, dass er sich wahrlich in einer schwierigen Situation befand. Er wollte gerne etwas verändern in seinem Leben, aber irgendwie schienen sich die Dinge zu spießen. Er konnte sich nicht entscheiden, was er mit seinem Leben anfangen sollte, denn das, was er von Herzen gerne gewollt hätte, blieb ihm aus medizinischen Gründen versagt. Er wäre nur zu gern Astronaut geworden, was er aber aufgrund seiner angeborenen starken Sehbeeinträchtigung leider nicht konnte. Zwischen all den anderen Möglichkeiten, die ihm blieben, konnte und wollte er sich nicht entscheiden, weil er immer noch und immer wieder an dem einen Wunsch hing und es nicht in seiner Macht stand, sich diesen zu erfüllen. Obwohl es keine Möglichkeit für ihn gab, Astronaut zu werden, blieb er an dem nicht erfüllbaren Wunsch hängen. Nichts anderes interessierte ihn und zu nichts anderem konnte er sich letztendlich durchringen. Verzweifelt und depressiv ob dieser Tatsache erschien er bei mir in der Praxis und ich erzählte ihm folgende Geschichte:
Es war einmal ein kleiner Junge, der sich nichts sehnlicher als eine Süßigkeit wünschte und deswegen machte er sich auf den Weg, eine solche zu suchen und zu finden. Er wollte aber nicht irgendeine Süßigkeit, sondern er wusste auch ganz genau, welche es sein musste. Er wollte ein GELBES GUMMIBÄRCHEN. Überall auf der Welt suchte er nach Gummibärchen, damit er sich dann aus der Menge der süßen Tierchen genau jenes aussuchen würde können, nach dem ihm so sehr verlangte. Er wollte um alles in der Welt ein GELBES GUMMIBÄRCHEN. Auf seiner Reise fand er jede Menge Süßigkeiten, eine Tafel Schokolade, eine Schaumrolle, Kaugummis, Torten, Kuchen, Kekse und Zuckerl auch Weingummis waren darunter, aber er schenkte all dem keine Aufmerksamkeit, er wollte um alles in der Welt ein GELBES GUMMIBÄRCHEN. Beinahe am Ende der Welt angekommen, traf er auf eine freundliche alte Dame. Diese erblickte ihn, hielt ihm ihre geballte Faust hin und sagte: „Was glaubst du, befindet sich in ihr?“ Der kleine Junge zuckte mit den Achseln, da öffnete die freundliche alte Dame ihre Faust und es kamen lauter kleine Gummibärchen zum Vorschein. „Oh!“, entfuhr es dem kleinen Jungen, seine Augen leuchteten und er suchte die Hand nach einem gelben Bärchen ab, konnte aber keines finden. Es gab weiße, grüne und rote Gummibärchen in der Hand der alten Dame, aber keine gelben. Der kleine Junge war furchtbar enttäuscht und wollte schon weitergehen. Da fragte ihn die alte Frau: „Warum nimmst du dir nicht ein rotes oder ein grünes Bärchen?“ „Das ist nicht genau das, nach dem ich suche!“, erklärte der kleine Junge und setzte seine Reise und seine Suche nach einem GELBEN GUMMIBÄRCHEN fort. Er kam noch an viele Orte und traf noch viele Menschen, doch nirgends fand er ein GELBES GUMMIBÄCHEN. Irgendwann einmal war er gar kein kleiner Junge mehr, sondern ein gestandener Mann und irgendwann ein alter Greis und er starb, ohne je ein GELBES GUMMIBÄRCHEN gefunden zu haben. Er hatte sein Leben lang nach einem GELBEN GUMMIBÄRCHEN gesucht und auf all die grünen, roten, weißen Gummibärchen nicht geachtet und auch nicht auf die anderen Süßigkeiten, die ihm auf dem Weg untergekommen waren.
Als er in den Himmel kam, fragte ihn der liebe Gott, was er denn so aus seinem Leben gemacht hätte. „Ach lieber Gott, ich habe nichts aus meinem Leben machen können, weil ich mein Leben lang nach einem GELBEN GUMMIBÄRCHEN gesucht habe und keines gefunden habe.“ Der liebe Gott hob die Augenbrauen und fragte: „Und warum hast du nicht stattdessen ein rotes oder grünes Gummibärchen oder eine der vielen anderen Leckereien genommen, die dir in deinem Leben untergekommen sind?“ Er antwortete: „Aber ich wollte doch unbedingt ein GELBES GUMMIBÄRCHEN haben.“ „Bist du denn nicht auf die Idee gekommen, dass vielleicht ein andersfärbiges auch gut schmeckt oder ein Eis, eine Schaumrolle, eine Schokolade, ein Zuckerl oder was immer dir das Leben angeboten hat?“, wollte der liebe Gott weiter wissen. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Sein verbohrter Wunsch nach einem GELBEN GUMMIBÄRCHEN hatte ihm letztendlich die Chance auf ein süßes Leben geraubt. Er hatte sich so auf ein GELBES GUMMIBÄRCHEN versteigt, dass er nichts anderes zulassen hatte können und ihm so die Süße des Lebens verschlossen geblieben war. Als er im Himmel das erste Stück Torte sah, biss er herzhaft hinein, er probierte auch die Schaumrolle und die Schokolade und was immer ihm unterkam, und er war erstaunt darüber, wie gut all diese Dinge schmeckten und wie sehr er sie genießen konnte. Als er ein gelbes Gummibärchen erblickte, konnte er kaum an sich halten. Er nahm es in die Hände, betrachtete es von allen Seiten und bestaunte es. Ganz langsam und mit geschlossenen Augen steckte er das GELBE GUMMIBÄRCHEN in den Mund. Er erwartete eine extreme Befriedigung. Endlich war ihm sein lang ersehnter Wunsch in Erfüllung gegangen. Aber die Explosion der Geschmacksknospen blieb aus. Das GELBE GUMMIBÄRCHEN schmeckte nicht schlecht, aber verglichen mit den Schaumrollen, den Krokantkeksen, den Torten und dem Eis, schmeckte es mäßig. In diesem Augenblick realisierte er, dass er sein Leben lang einem Traum hinterhergelaufen war, der in seiner Erfüllung letztendlich gar keine solche war.
Manchmal muss man dem Leben eine Chance geben, damit es einen auch überraschen kann!
von Maya Linde
Entschieden unentschieden
Entschieden unentschieden
Eines Tages kam ein junger Mann zu mir. Er wollte gerne Arzt werden aber dafür hätte er studieren müssen. Die Voraussetzungen fürs Studium hatte er bereits erworben. Um zu studieren, hätte er aber sein Dorf verlassen müssen, was er aber auf gar keinen Fall wollte, denn hier lebte seine große Liebe, die er einmal heiraten wollte und mit der er Kinder haben wollte. Die beiden großen Wünsche seines Lebens ließen sich einfach nicht vereinbaren. So sehr ich ihn auch ermutigte, sich für eine Sache zu entscheiden und einen der beiden Wege einzuschlagen, so sehr sträubte er sich dagegen. Auch wenn ich ihm zu bedenken gab, dass auch eine nicht gefällte Entscheidung eine Entscheidung war, so schaffte er es nicht, sich für eine Sache zu entscheiden. So lebte er weiter wie bisher und fällte keine Entscheidung. Er ging nicht in eine andere Stadt, um dort zu studieren und dann den Beruf ausüben zu können, von dem er, seit er denken konnte, träumte, obwohl er davon überzeugt war, dass er ein sehr guter Arzt geworden wäre. Er wollte aber die Stadt und sein Mädchen nicht verlassen, denn er wollte die Liebe seines Lebens nicht aufs Spiel setzen. Wie er es auch drehte und wendete, er konnte aus diesem Dilemma nicht heraus. So hielt er sich beide Türen offen, blieb in dem Dorf, um seinem Mädchen nahe zu sein, heiratete aber auch nicht, um doch dem Studium noch eine Chance zu lassen. Er konnte sich einfach nicht entscheiden. Er wollte keine dieser Türen zuschlagen und so lebte er viele Jahre tagaus und tagein nicht schlecht, aber auch nicht wirklich glücklich und erfüllt, bis eines Tages sein Mädchen ihn verließ, weil sie endlich heiraten wollte und Kinderkriegen, wozu er sich nie hatte durchringen können. Das bittere an der Sache war, dass der Zukünftige seines Mädchens ein Mann war, der die Stadt vor einigen Jahren verlassen hatte, um zu studieren und jetzt zurückgekommen war, um hier als Arzt zu praktizieren.
von Maya Linde
Das ungleiche Zwillingspaar
Das ungleiche Zwillingspaar
Vor langer Zeit lebte einmal ein sehr ungleiches Zwillingspaar. Lia und Lea kamen im gleichen Haus auf die Welt, hatten die gleichen Eltern, erlebten die gleiche Erziehung und lebten und erlebten doch zwei völlig unterschiedliche Leben. Während Lia mehr der Mutter zugetan war und ihre Lebensweise, die das Glas immer halbvoll sah, in sich aufnahm, war Lea mehr an der Lebensart des Vaters interessiert. Der war stark vom Konkurrenzdenken geprägt und sah Gläser gerne halbleer. Wenn man die beiden von außen betrachtete, dann konnte man in ihrem weiteren Leben Folgendes beobachten.
In Leas Leben gab es, wie im Leben aller Menschen, immer wieder Schwierigkeiten und kleinere und größere Probleme, also eine Menge von Kieseln und Steinen bis hin zu wirklich großen Felsbrocken, die zwischen ihren Füßen und auf ihrem Weg, also in ihrem Leben lagen. Sie konnte mitunter nur schwer oder gar nicht an ihnen vorbei, ohne sich daran zu stoßen, zu verletzen oder sich sogar ordentlich zu verwunden. Sie nahm jeden dieser Steine mit nach Hause und stellte ihn auf ein Regal. Jeder, der vorbeikam, konnte sie sehen und begutachten und von Lea hören, welcher Stein und welcher Fels ihr welche Verletzungen, welche Blessuren und Narben zugefügt hatte. So wurde mit den Jahren ihr Haus immer voller und voller und sie konnte sich kaum mehr darin bewegen. So stieß sie immer häufiger irgendwo an, ihre Wunden, Verletzungen und Blessuren heilten gar nicht wirklich ab und sie litt und auch ihre Narben quälten sie.
Auch in Lias Leben gab es, wie im Leben aller Menschen, immer wieder Schwierigkeiten und kleinere und größere Probleme, also eine Menge von Kieseln und Steinen bis hin zu wirklich großen Felsbrocken, die zwischen ihren Füßen und auf ihrem Weg, also in ihrem Leben lagen. Sie konnte mitunter nur schwer oder gar nicht an ihnen vorbei, ohne sich daran zu stoßen, zu verletzen oder sich sogar ordentlich zu verwunden. Lia nahm jeden einzelnen Stein, aber sie nahm ihn nicht mit nach Hause und sie stellte die Steine auch nicht in ein Regal. Nein, sie hielt jeden einzelnen in ihren Händen, betrachtete ihn von allen Seiten, manchmal flossen dabei auch Tränen. Dann aber brachte sie ihn zu ihrem Herzen, dankte ihm für die Lektion und verabschiedete sich von ihm, da sie nicht mehr in ihrem Leben brauchte und übergab ihn dann dem Wasser. So verfuhr sie mit jedem einzelnen Kiesel, jedem Stein und jedem Felsbrocken, egal wie schwer oder groß er auch war. Ihr Haus war und blieb daher lichtdurchflutet, geräumig und leer. Es gab keine Steine in ihrem Haus und somit auch keinen Anlass, über irgendwelche Steine, Kiesel oder Felsbrocken zu sprechen. Die Wunden, Verletzungen und Blessuren heilten, nachdem sie die Steine dem Wasser übergeben hatte, immer schnell ab und auch wenn es die eine oder andere Narbe gab, so hatten diese keine Macht, ihr Leben zu beeinflussen.
von Maya Linde
Sie ist auf dem Weg - Ein Erdenmärchen
SIE IST AUF DEM WEG - Ein Erdenmärchen
„Es war einmal…“ So beginnen viele wertvolle Geschichten, doch diese beginnt anders und sie ist nicht weniger wertvoll. Es wird einmal sein…
Vor langer langer Zeit erzählten die WEISEN verschiedenster Kulturen auf der ganzen Welt von folgenden Dingen:
Es wird eine Zeit kommen, in der das Miteinander wichtiger ist als das Gegeneinander.
Es wird eine Zeit kommen, in der das Füreinander mehr Freude bereitet als das Nur-für sich.
Es wird eine Zeit kommen, in der es keine Grenzen mehr gibt.
Es wird eine Zeit kommen, in der Hautfarbe, Rasse, Geschlecht, Religion und Geld keine Rolle spielen.
Es wird eine Zeit kommen, in der es kein Schubladendenken mehr gibt.
Es wird eine Zeit kommen, in der die Liebe, der Frieden, Freiheit und Großzügigkeit regieren.
Es wird eine Zeit kommen, in der alle Menschen in Fülle leben.
Es wird eine Zeit kommen, in der die Menschen sich gegenseitig mit Liebe und Wertschätzung, Respekt und Hochachtung begegnen.
Es wird eine Zeit kommen, in der die Menschen sich ihrer wahren Natur erinnern.
Es wird eine Zeit kommen, in der die Menschen sich tief verbunden fühlen mit Mutter Erde und Vater Himmel.
Es wird eine Zeit kommen, in der die Menschen ihrer Hüterschaft für die Erde und all ihrer Wesen wieder mit Liebe und Leichtigkeit und großer Freude nachkommen.
Es wird eine Zeit kommen, in der die Steinwesen und die Pflanzenwesen, die Tiere und die Menschen gemeinsam mit den nicht sichtbaren Wesenheiten in Harmonie und Eintracht und gegenseitiger Unterstützung auf der Erde zusammenleben.
Es wird eine Zeit kommen, in der das Paradies nicht mehr unerreichbar und in weiter Ferne ist, sondern auf Erden gelebt wird.
Es wird eine Zeit kommen, in der die Menschen nicht mehr darauf warten, dass sich die Dinge zum Besseren wenden, weil das Bessere bereits da ist.
Es wird eine Zeit kommen, in der all das beginnen wird.
Und so erzählten und erzählen die WEISEN verschiedenster Kulturen auf der ganzen Welt: Diese Zeit ist genau JETZT und genau HIER. Wenn du still wirst und ganz tief in dich hineinhörst, dann wirst du es hören können, spüren können, kommen sehen…
von Maya Linde inspiriert von dem wunderbaren Song von Aly Halpert: „She Is On Her Way“
THE NEW WORLD IS NOT ONLY A POSSIBILITY –
SHE IS ON HER WAY!
Ich träume...
ICH TRÄUME…
von einer GOLDENEN ZUKUNFT,
* wo Selbstwertgefühl die Eifersucht ersetzt, innerer Frieden die Aggression, Verständnis den Groll heilt und Einheit die Arroganz auflöst,
* wo jeder zum höchsten Wohl aller anderen handelt und alle Entscheidungen auf dieser Grundlage getroffen werden, weil jeder sich zugehörig, geliebt und zufrieden fühlt, teilt und sich umeinander kümmert.
ICH TRÄUME…
von einer GOLDENEN ZUKUNFT,
* wo sich die negativen Machtstrukturen auflösen und Wahrheit, Transparenz und Integrität zur neuen Grundlage der Führung werden,
* wo Systeme entstehen, die auf der Basis von Liebe, Zusammenarbeit und Wahrheit neu aufgebaut werden, die das Leben, den Planeten und den göttlichen Funken in jedem Wesen ehren.
ICH TRÄUME…
von einer GOLDENEN ZUKUNFT,
* wo Mitgefühl und Achtsamkeit unser tägliches Leben begleiten, Liebe, Licht und Fülle,
* wo die Natur respektiert, geehrt und geliebt wird, die Menschen, Pflanzen und Tiere in Harmonie lebe und die Wasser rein und klar sind.
ICH TRÄUME…
von einer GOLDENEN ZUKUNFT,
* wo Kreativität, Begeisterung und Lebensfreude die Tage begleiten,
* wo jeder liebevoll, offen und mitfühlend gegenüber allen Wesen ist und Frieden, Liebe, Glückseligkeit und Einheit vermehrt,
* wo jeder Vergebung, Dankbarkeit und die Bereitschaft, aus göttlicher Wahrheit heraus zu dienen, verkörpert.
ICH TRÄUME…
von einer GOLDENEN ZUKUNFT,
einer Welt, die in Einheit und Liebe verankert ist, in Weisheit und Frieden.
Und wovon träumst du?
Als Verstand Unverstand nicht verstand
Als Verstand Unverstand nicht verstand
Eines Tages trafen sich Verstand und Unverstand auf einer Wiese, sie grüßten sich höflich und jeder setzte sich auf eine eigene Bank, so dass sie sich gegenseitig sehen und beobachten konnten. Sie hatten eine Aufgabe zu lösen und während Verstand eifrig rechnete, schrieb, recherchierte und logische Verbindungen herzustellen versuchte, zeichnete Unverstand Luftlöcher in den Himmel und überließ die Aufgabe ihrer selbst. Beide beobachteten sich aber nebenbei auch ein wenig aus den Augenwinkeln. Verstand schaute Unverstand eine Weile zu, wie er tat, was er tat und nicht tat, und irgendwann hielt er es nicht mehr aus und ging hinüber zu ihm. „Ich verstehe einfach nicht, was das soll, warum du tust, was du tust bzw. nicht tust, so wirst du doch die Aufgaben nie lösen können“, sagte er zu Unverstand. Unverstand schaute ihn mit einem verschmitzten Lächeln an. Auch er hatte Verstand aus den Augenwinkeln heraus beobachtet und meinte daher lakonisch: „Auch ich verstehe nicht, warum du tust, was du tust.“ Da plusterte sich Verstand, so wie er es aus dem Leben eben gewohnt war, mächtig auf und begann eines Langen und Breiten zu erklären: „Das ist doch ganz klar, was ich da mache und warum ich es mache und wie ich es mache. Es macht Sinn, es ist einfach logisch und notwendig und kann daher gar nicht anders gemacht werden. Schließlich ergibt eins plus ein zwei und hundert und eins hunderteins usw. usw.“ Unverstand hörte zu und fragte dann nur kurz zurück: „Und das hilft?“ Das verwirrte Verstand ein wenig. „Was soll das heißen? Ich meine, es ist einfach logisch, es kann berechnet werden und es macht Sinn, das reicht doch wohl aus“, entrüstete er sich. Unverstand hob amüsiert die Augenbrauen und schmun-zelte: „Na, dann ist ja gut“, antwortete er und widmete sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Luftlöcherkreieren, während Verstand ganz unrund wurde und nicht lockerließ. „Was meinst du mit dem „hilft es?“ und „ist ja gut? Du bist mir einfach ein Rätsel!“, blaffte Verstand Unver-stand an und ärgerte sich mächtig über ihn. Unverstand hielt in seiner Tätigkeit inne, ließ einige Luftlöcher unvollendet in der Luft hängen und versuchte, sich Verstand verständlich zu machen: „Auch wenn es logisch ist, so hilft vieles doch nicht unbedingt, und daher begnüge ich mich nicht damit, dem nachzukommen. Das ist doch ganz einfach, nicht wahr?“ Verstand war jetzt nicht weniger verwirrt. Wenn es logisch war, warum sollte es dann nicht hilfreich sein? Das verstand er ganz und gar nicht. Und warum konnte Unverstand einfach damit zufrieden sein, wenn es etwas war, was man nicht verstehen konnte?“ Er schnaubte und seine Stimme klang jetzt schon ziemlich schrill: „Das ist nicht logisch! Das ist nicht zu verstehen! Warum kannst du dich denn nicht verständlich ausdrücken?“ Unverstand merkte die Not, in der sich Verstand befand und er wollte nicht unhöflich sein. Nein, er wollte ihm so gerne helfen, doch er wusste nicht so genau, wie er das anstellen hätte können. „Obwohl du deinen ganzen Verstand eingesetzt hast und logisch hin- und her gedacht hast, konntest du die Aufgabe auch nicht lösen, wenn ich das richtig sehe, oder?“ „Das stimmt schon“, grummelte Verstand, „aber manchmal braucht es halt etwas mehr Verstand und ein bisschen mehr Logik, bis man die Lösung hat. So ist das halt.“ „Ja, oder es braucht weniger Verstand und weniger Logik“, gab Unverstand zurück. Jetzt wurde Verstand erst so richtig wütend. Wie konnte Unverstand seine Arbeitsmethoden anzweifeln und so in Frage stellen? „Du machst dich lustig über mich“, war er erzürnt, „obwohl ich so hart arbeite und mein Bestes gebe!“ „Manchmal ist eins und eins aber nicht zwei sondern elf und hundert und eins sind tausend verschiedene Sachen, und manchmal auch nicht“, versuchte Unverstand zu erklären, aber Verstand war einfach nur erbost und konnte schon gar nicht mehr zuhören. Er machte sich auf den Weg zurück zu seiner Bank und widmete sich mit Logik und Verstand der ihnen beiden gestellten Aufgabe, die da lautete: „Ich fange die Sache nur nicht an, weil ich genau weiß, dass sie funktioniert.“ Wie sollte er dem mit Logik und Verstand beikommen können?
von Maya Linde
WORTMALEREI
WORT- und REIM-POTPOURRI - Ansprechende Freisprüche von der Leber weg von Maya Linde
Ein Potpourri ist eine Ansammlung vielfältiger Elemente - eine kunterbunte Mischung - ein Sammelsurium
WORTE
Worte sind Orte, an denen man sich dann und wann treffen kann.
Doch manche Worte sind für andere Gift, weshalb man sich dann auch nicht trifft.
DAS KLEINE GROSSE GLÜCK und DAS GROSSE KLEINE GLÜCK
WORTE sind ORTE, an denen man viel Gutes machen kann,
mit denen man auch jetzt und dann ein bisschen Glück verbreiten kann.
Ein nettes Wort, ein freundlicher Blick - was braucht es mehr zum kleinen / großen Glück?
So finde man gern täglich Orte, für so manche guten Worte, ein Lächeln oder einen freundlichen Blick und vermehrt dadurch das Glück.
DER MENSCH IST DEM MENSCHEN…
Der Mensch ist dem Menschen nicht selten ein Wolf.
Der Mensch ist dem Menschen in manchen Fällen ein Gott.
Der Mensch ist dem Menschen mitunter auch ein Wunder.
Der Mensch ist dem Menschen die meiste Zeit aber ein Rätsel.
IN DIE FERNE SCHAUEN
Manchmal bleibt einem nichts anderes über, als sich selbst dabei zuzuschauen, bis man darüber hinwegschauen kann und nach neuen Ufern Ausschau halten kann.
Manchmal bleibt einem nichts anderes über, als sich selbst dabei zuzuschauen (wie man sich im Weg steht), bis man darüber hinwegschauen kann (dass man sich selbst oft das größte Hindernis ist) und nach neuen Ufern Ausschau halten kann (die trotz aller Hindernisse erreichbar sind).
BROTLOSE KUNST
Es ist nicht unbedingt immer bewundernswert, WAS jemand so schreibt oder malt,
aber es ist bewundernswert, DASS er schreibt oder malt,
in einer Kultur, die Schreiben und Malen als brotlose Kunst ansieht,
die das Wunder und das Wunderbare des kreativen Ausdrucks nicht sehen kann,
die sich über Künstler nur wundert,
und nur verwundert feststellen kann,
wie wunderlich sie doch sind, diese verwundbaren und oft verwundeten Künstler,
die sich nicht selten ohne Erfolg und ohne Applaus
trotz allem diesem brotlosen Unterfangen widmen.
Vielleicht sind sie aber eher bewundernswerte Wunder,
die es vermögen, das Schöne, das Gute, die Farben, die Träume in die Realität zu bringen,
in einer so nüchternen, banalen, farblosen, entsetzlich realistischen Welt?
EINE KOHORTE WORTE
Eine Kohorte
Worte
fällt über mich her,
Wort und Wörter immer mehr.
Sie türmen sich in meinem Kopf,
sie packen mich bei meinem Schopf,
sie nehmen mich vollständig ein
und dringen ganz in mich hinein.
Ich kann mich nicht dagegen wehren,
den Einfall muss ich einfach ehren,
und ihm geben ein Gesicht,
so entsteht dann ein Gedicht.
WAS ES IST
VOR(denk)SPIELE
NACH(denk)SPIELE
WORTSPIELE
WAHNSINN ODER GENIE
Wahnsinn oder Genie,
das weiß man nie!
Entweder bin ich jetzt kreativ,
oder es läuft etwas ganz extrem schief?
Entweder werde ich jetzt gleich verrückt,
oder etwas mir ganz besonders gut glückt?
Entweder bin ich dem Wahnsinn gerade ganz nah,
oder ich habe bald eine riesige Bewundererschar?
Entweder bin ich bald ganz berühmt,
oder mein Verstand hat ausgedient?
Wer würde es wagen,
das zu sagen?
DOPPELTE BEJAHUNG
Braucht die Kunst den Menschen,
um Kunst zu sein?
ODER
Braucht der Mensch die Kunst,
um Mensch zu sein?
LEBEN ermöglicht ARBEIT erledigen
Ich träume von einer Welt,
in der das ARBEITEN dazu da ist,
uns das LEBEN zu ermöglichen.
In unserer Gesellschaft scheint zurzeit eher das LEBEN dazu dazusein,
damit wir die ARBEIT erledigen,
was dazu führt,
dass wir nach der ARBEIT mitunter ganz erledigt sind,
und das mit dem LEBEN oft gar nicht mehr so möglich ist!
Dichtkunst 1
Nichts anderes ist dichten,
als die Wörter richtig schichten.
Dichtkunst 2
Wenn ich etwas berichte,
dabei die Wörter richtig schlichte,
die Zeilen bestens schichte,
dann entsteh’n (vielleicht) Gedichte.
Dichtkunst 3
Was bitte ist ein DICHTER?
Ein großer WorteTRICHTER,
ein Worte richtig RICHTER,
ein gute Worte SCHLICHTER,
ein schöne Worte SCHICHTER
ein wahrer ReimBERICHTER.
SCHREIBFEHLER 1
oder
DIE KRÖNUNG DER SCHÖPFUNG
Wenn man sich so manche Bewohner dieser Erde anschaut,
vor allem die, die glauben, die Krönung der Schöpfung zu sein,
und das, was genau die in dieser Welt so anstellen,
und wie sie mit der Erde umgehen,
dann könnte man zu dem Schluss kommen,
dass da ein Schreibfehler vorliegen muss in dem Wort,
welches die einzelnen Vertreter dieser Rasse beschreibt,
und dass man in Wirklichkeit statt Doppel-U eigentlich Doppel-M schreiben müsste.
Dann hieße ein Vertreter der Menschheit nämlich
nicht INDIVIDUUM sondern viel passender INDIVIDUMM.
SCHREIBFEHLER 2
Vielleicht hat sich einfach jemand verschrieben,
bei dem Wort
DEMOKRATIE (KRATIE = Herrschaft)
und es sollte in Wirklichkeit
DEMOGRAZIE (GRAZIE = Anmut)
heißen.
Durchaus möglich, dass es sich in einer DEMOGRAZIE besser leben ließe,
als in den heute gelebten Demokratien.
MODALITÄTEN 1
sollen-wollen-müssen-dürfen-können-mögen und auch lassen -
so kann man die Modalitäten zusammenfassen.
MODALITÄTEN 2
Manchmal muss man etwas machen, was man eigentlich gar nicht will.
Manchmal will man etwas machen, was man eigentlich gar nicht darf.
Manchmal soll man etwas machen, was man eigentlich gar nicht mag.
Manchmal kann man etwas machen, was man eigentlich nicht muss.
Manchmal darf man etwas machen, was man eigentlich nicht soll.
Manchmal mag man etwas machen, was man eigentlich nicht kann.
Und manchmal lässt man es lieber.
MODALITÄTEN 3
Wenn ich könnt‘, tät‘ ich. WENN ICH KÖNNTE, TÄTE ICH (ES).
Wenn ich dürft‘, würd‘ ich. WENN ICH DÜRFTE, WÜRDE ICH.
Wenn ich wollt‘, könnt‘ ich. WENN ICH WOLLTE, KÖNNTE ICH.
Wenn ich möcht‘, sollt‘ ich nicht. WENN ICH MÖCHTE, SOLLTE ICH NICHT.
Wenn ich soll, will ich nicht. WENN ICH SOLL, WILL ICH NICHT.
Wenn ich muss, kann ich nicht. WENN ICH MUSS, KANN ICH NICHT.
MODALVERBAL 1
Wegen so viel MUSS - gibt es so oft VERDRUSS.
Weil man ständig etwas SOLL - hat man die Nase VOLL.
Das WILL - aber braucht keinen DRILL.
Auf ein DARF - wäre man SCHARF.
Viel mehr das KÖNNEN – sei jedem zu VERGÖNNEN.
Auf alle Fälle zu ERWÄGEN – ist im Zweifelsfall das MÖGEN.
MODALVERBAL 2
Man sollte vielleicht weniger müssen.
Man sollte vielleicht mehr mögen dürfen.
Man sollte vielleicht mehr wollen können.
Man sollte vielleicht mehr lassen dürfen.
Man MÜSSTE vielleicht das SOLLTE streichen,
und auch das MÜSSTE KÖNNTE weichen,
denn mit WOLLEN und MÖGEN, KANN man viel mehr erreichen.
BEZIEHUNG IST EINE ZIEMLICH ZUGIGE SACHE
Zuerst findet man sich gegenseitig so ANZIEHEND,
und kann nicht anders, als den einen allen anderen einfach VORZUZIEHEN.
Es ist so, dass einem alles am anderen einfach ANZIEHT,
und es einem deswegen zu ihm HINZIEHT.
Man beginnt sich mehr und mehr aufeinander zu BEZIEHEN.
Man kann es kaum erwarten die Vorhänge ZUZUZIEHEN
und sich gegenseitig AUSZUZIEHEN.
Man will nur mehr gemeinsam LOSZIEHEN,
ist gern bereit immer mit dem anderen MITZUZIEHEN.
Man ist schnell dabei UMZUZIEHEN
und beim anderen EINZUZIEHEN.
Irgendwann beginnt aber dann oft das TAUZIEHEN,
oft wenn man gerade dabei ist, gemeinsam Kinder GROSSZUZIEHEN und zu ERZIEHEN.
Man versucht den anderen UMZUERZIEHEN,
würde ihm gerne ab und an die Ohren LANGZIEHEN,
man ärgert sich über sein ÖLZIEHEN am Morgen,
ist sich bewusst, jetzt würde man ihm nicht mehr so ohne Weiteres sofort NACHZIEHEN,
denn man muss sich immer öfter etwas REINZIEHEN, um das alles auszuhalten,
und sich etwas ÜBERZIEHEN,
weil man sich schon WARM ANZIEHEN muss in dieser Beziehung.
Man will sich mit und vom anderen nicht mehr HINUNTERZIEHEN lassen,
beginnt daher die Aufmerksamkeit vom anderen ABZUZIEHEN,
und ihn dann und wann auch AUFZUZIEHEN,
dem versucht sich der anderen dann meist zu ENTZIEHEN,
vor allem wenn einer beginnt über den anderen HERZUZIEHEN.
Man denkt öfter dann ans FORTZIEHEN
und würde am liebsten sofort WEGZIEHEN,
weiß aber, man wird ihn dann für so manches HERANZIEHEN,
wenn er AUSZIEHT.
AUSWEG statt AUSZUG:
Es bleibt zu hoffen, dass man sich selbst und gegenseitig bald VERZIEHEN hat,
und sich wieder aufeinander BEZIEHEN kann,
und wieder gemeinsam an einem Strang ZIEHEN will.
IDEAL
„Was ist das größte Ideal deiner selbst?“
EINE GUTE FRAGE!
Vielleicht sollte man sich das öfter mal fragen?
Vielleicht sollte man das öfter mal gefragt werden?
Vielleicht sollte man das seine Kinder öfter mal fragen?
Vielleicht sollte man das als Kind öfter mal gefragt werden?
Vielleicht sollte man öfter mal daran erinnert werden?
Vielleicht sollte man öfter mal dazu ermutigt werden?
Vielleicht wäre es ideal, dieser Frage mehr Raum einzuräumen im Leben?
Vielleicht würde die Welt sich zu ihrem größten Ideal ihrer selbst entwickeln,
wenn wir von Kind an gefragt würden,
ermutigt würden,
aufgefordert würden,
das größte Ideal unserer selbst zu finden und zu leben?
Ein Versuch wäre es zumindest wert.
SEIN
Wenn ich mir so anschaue und zu Herzen nehme, was Philosophen, Mystiker, Gelehrte und weise Menschen so sagen,
dann bin ich (anscheinend)
VOLLKOMMENES UNENDLICHES SEIN AUF DER SUCHE NACH SICH SELBST
in einer unvollkommenen endlichen Welt voller Mangel, Probleme und Dramen.
Denn nur die Unvollkommenheit ermöglicht (diesen Ausführungen folgend) der Vollkommenheit, sich zu erfahren.
Die Welle
Die Welle kommt – die Welle geht
ohne dass irgendwo steht
wie lange es zu dauern hat
und hat’s die Welle einmal satt
dann bleibt sie in der glatten See
da findet sie es auch ganz schön.
MIGIS = MINIMALGEDICHTE
Ein Minimalgedicht ist ein sprachliches Kunstwerkt in Reimen,
das Inhalte komprimiert darstellt.
ROHRKREPIERER
Verzwickt!
Verzwackt!
Verkackt!
EINFALL
Verzwickt -
verzwackt -
verkackt!
RAUSFALL
Hoffnung, dass es sich wendet,
Hoffnung, dass es besser endet,
mit Gewinn statt mit Verlust,
mit viel Freude anstatt Frust,
mit Erfolg statt mit Verderben,
unbeschädigt, ohne Scherben.
NIEDERGANG 1
Demokratie
Mediokratie
Manipulatie
keine schöne Melodie
NIEDERGANG 2
studiert
qualifiziert
tituliert
hofiert
motiviert
engagiert
optimiert
hochdotiert
routiniert
manipuliert
korrumpiert
degradiert
deklassiert
abserviert
DEMOLIERT
DEMOKRATIE
DEMONSTRATION
DEMORALISIERUNG
DEMONTAGE
DERUINIEREN
demoliert
ruiniert
abmontiert
repariert
geschmiert
justiert
funktioniert
Leselösung:
de-ruinieren
man könnte auch ent-ruinieren sagen
oder einfach herrichten
GARANTIERT BLAMIERT
dekoriert
drapiert
lackiert
marmoriert
koloriert
alles verschmiert
Das Lied der End-lichkeit
Endlich darf ich in den Kindergarten.
Endlich bin ich Schulanfänger.
Endlich ist die Volksschule vorbei.
Endlich habe ich meinen Radführerschein.
Endlich darf ich ohne Radführerschein Rad fahren.
Endlich darf ich den Mopedführerschein machen.
Endlich darf ich mit dem Auto fahren.
Endlich bin ich mit der Schule fertig.
Endlich bin ich mit dem Studium fertig.
Endlich verdiene ich mein eigenes Geld.
Endlich bin ich nicht mehr Berufsanfänger.
Endlich habe ich mein eigenes Haus.
Endlich sind die Kinder aus dem Gröbsten heraus
Endlich sind die Kinder mit der Schule fertig
Endlich sind die Kinder mit dem Studium fertig.
Endlich sind die Kinder aus dem Haus.
Endlich muss ich nicht mehr arbeiten
LETZTENDLICH dämmert mir,
mein Leben ist END-LICH!
BESONDERS
Es ist eigentlich nichts Besonderes,
dass jeder Mensch etwas ganz Besonderes ist.
Doch wenn man so in die Welt hinausschaut, scheint diese Weisheit nicht besonders bekannt zu sein.
Religion und ihre Nichtbegründer
Wenn wieder einmal wegen oder über Religion gestritten wird, dann sollte man sich vor Augen halten:
Jesus war kein Christ,
Siddharta kein Buddhist
und Mohammed kein Moslem.
Und wären sich die drei auf ihrer spirituellen Reise einmal begegnet, sie hätten sich sicher ausgezeichnet verstanden.
Es ist ein Anfang und kein Ende
Es ist ein Anfang und kein Ende.
Egal, wohin ich mich auch wende,
wohin ich meinen Kopf auch recke,
Neues sprießt aus jeder Ecke,
Unbekanntes tritt hervor,
es zieht mich mehr und mehr empor,
lässt meine Wurzeln tief sich senken,
still steht so manches Mal das Denken.
Neu aufgerichtet fühl‘ ich mich,
das ist ganz außerordentlich,
tief verwurzelt außerdem,
kann man das auch von außen sehen?
Wie ich mehr und mehr doch heile,
so manches braucht zwar eine Weile,
doch immer mehr wird alles ganz,
kriegt einen ganz besonderen Glanz.
Ich komm‘ viel tiefer in mich rein,
unendlich schön ist dieses Sein.
Schmeck‘ mehr und mehr vom süßen Leben,
nach Weisheit will ich mehr noch streben.
So wird der Spatz zum Adler jetzt,
der vieles in Bewegung setzt.
Ich fliege hoch und ziehe Kreise,
von dort aus sieht man es mehr weise.
Ein Leuchten bricht sich Bahn in mir,
in dem ich mich auch gern verlier.
Und Liebe dringt in alles ein,
kann irgendetwas schöner sein?
Es ist ein Anfang und kein Ende.
Egal, wohin ich mich auch wende,
wohin ich meinen Kopf auch recke,
Neues sprießt aus jeder Ecke,
Unbekanntes tritt hervor,
es zieht mich mehr und mehr empor,
lässt meine Wurzeln tief sich senken,
still steht so manches Mal das Denken.
Neu aufgerichtet fühl‘ ich mich,
das ist ganz außerordentlich,
tief verwurzelt außerdem,
kann man das auch von außen sehen?
EMOTAND
Emotion - was bringt das schon?
Verstand - außer Rand und Band!
Emotion mit Verstand - Verstand mit Emotion -
eine wohltuende Version.
SPIELREGELN
Die Suche nach den Regeln des Lebens –
vergebens.
EIN STÜCK VOM KUCHEN
Ich hätt‘ doch auch so gern ein Stück
vom großen Glück!
Ich will nicht lange danach suchen,
ich möcht‘ ein großes Stück vom Kuchen!
Doch scheint‘s mir leider stets verwehrt.
Wer ist’s, der all das nicht gewährt?
Wer ist’s, der all das Glück verteilt,
wer wann, wie lang im Sonnenschein verweilt?
Ich möchte Einspruch jetzt erheben!
Kann man mir nicht auch ein Stücklein geben!
Ein ziemlich großes Stück vom Kuchen,
würd‘ ich am liebsten jetzt gleich buchen!
Ich hätt‘ doch auch so gern ein Stück
vom großen Glück!
GLÜCK
Manchmal in der Zeit,
ist es dann so weit,
da steht die Zeit ganz still,
nichts mehr, was man dann will,
nichts mehr, was man dann denkt,
nichts, dem man Beachtung schenkt.
Der Augenblick
ist reines Glück.
Es kommt von der Unendlichkeit ein Stück,
zu uns zurück,
so dass in dieser Welt,
unser Leben wird erhellt.
ENTSCHLOSSEN UNENTSCHLOSSEN
Ich kann mich einfach nie entscheiden,
deswegen kann ich mich nicht leiden.
Ich weiß nicht, was ich wirklich will,
und die Gedanken steh‘n nie still,
sie drehen und winden sich,
es ist gar fürchterlich!
Wenn ich das eine nehme,
ich mich fast schon schäme,
denn auch das andere wäre gut.
Es bringt mich wahrlich recht in Wut,
weil ich nicht weiß, was man da tut.
Hat man die Wahl,
ist das für mich die Qual.
Das andere oder das eine,
du weißt schon, was ich meine,
Entscheidung finde ich keine.
MISSVERSTEHLICH
Ich verstehe es nicht.
Ich verstehe sie nicht.
Sie verstehen mich nicht.
Sie verstehen nicht, dass ich sie nicht verstehe.
Ich verstehe nicht, dass sie mich nicht verstehen.
Wir haben keine Verständigungsprobleme,
aber wir haben Verstehensprobleme,
sie mit mir und ich mit ihnen.
PERFEKTIONIERUNGSVERSUCHUNG
Es sind schon tolle Zeiten,
mit so vielen Möglichkeiten.
Es ist genial,
ich hab‘ die Wahl!
Es gibt viel mehr als eine Sorte,
ich steh‘ und schau, mir fehl’n die Worte.
Ich find‘ es einfach toll,
doch wenn ich mich entscheiden soll,
dann weiß ich nicht mehr ein noch aus,
Entscheidungen sind mir ein Graus.
Ich kann mich einfach nicht entscheiden,
denn immer gibt’s was anzukreiden,
ich will das Beste aber nur,
in dieser Hinsicht bin ich stur.
Das ist gar nicht leicht zu kriegen,
will keinem Fehler unterliegen,
weswegen alles ich vergleiche,
damit das Beste ich erreiche.
Ich kann es einfach nicht verhehlen,
das einzig Richtige will ich wählen,
mit dem ich dann zufrieden bin,
danach steht immer mir der Sinn.
Doch kaum hab’ ich mich dann entschieden,
bin ich schon wieder unzufrieden,
und es fällt mir wirklich schwer,
weil’s besser doch gegangen wär!
Was mich dann wirklich quält,
hab‘ ich einmal gewählt,
dass ich es nicht perfekt vollbracht,
die Wahl nicht ganz korrekt gemacht.
Es ist und bleibt ein Phänomen,
immer könnt‘ es noch besser geh‘n.
DIE ANDERE OPTION
Wenn ich drinnen bin, wäre ich gern draußen,
wenn ich draußen bin, wäre ich gern drin,
so richtig macht das keinen Sinn.
Ich müsst‘ mich endlich nur entscheiden,
für eine Möglichkeit der beiden,
doch das versuch‘ ich zu vermeiden,
kann ich Entscheidungen doch nicht leiden.
Ich kenn das einfach wirklich schon,
es ist im Anschluss wie ein Hohn,
lockt ständig dann die andere Option.
Ich kann die anderen nur beneiden,
die es wirklich schaffen, sich zu entscheiden.
ISSMUSSEN oder TOXISCHE LIEBE
Hast du denn kein Gewissen?
Musst du mich immer dissen?
Du hast die Liebe mir entrissen
und mein Herz entzweigerissen!
Tausend Tränen in den Kissen.
Ich würd‘ dich trotzdem gerne küssen,
ich hab’ mich so in dich verbissen.
Ich kann nichts mehr als dich vermissen!
Für dich würd‘ ich die weiße Flagge hissen!
Doch du -
du schaust mir nur zu.
Wie ich leide,
dich suche und dich meide.
Du machst das so gerissen,
dass ich mich fühl‘ beschissen.
Doch endlich hab‘ ich auch begriffen,
was die Spatzen schon längst von den Bäumen pfiffen.
Bin zwar noch hin- und hergerissen,
aber das, was du machst, das ist beschissen!
Du kannst dich einfach jetzt verpissen,
bei mir hast du nämlich ausgeschissen!
BESITZ(IRR)TÜMER
Während in den indigenen Gesellschaften
der Ort die Menschen besitzt,
so besitzen in den westlich geprägten Gesellschaften
die Menschen den Ort / die Materie.
Und während in den indigenen Gesellschaften
die Menschen die Zeit besitzen,
so besitzt in den westlich geprägten Gesellschaften
die Zeit den Menschen.
(Alberto Villoldo)